Was passiert, wenn man das Augenlicht verliert?

Letzte Aktualisierung am 15. April 2018

Unterhält man sich mit verschiedenen Menschen, stellt man oft fest, dass viele die völlige Erblindung als das schlimmste empfinden, was ihnen passieren könnte. Dies ist im ersten Moment auch nachvollziehbar, da jeder das Gefühl kennt, nicht zu sehen. Sei es bei vollkommener Dunkelheit draußen oder bei einem Besuch im Dunklen, wie ihn die zahlreichen Dunkelerlebnis-Einrichtungen anbieten. Es gibt aber nicht nur sehend und blind, sondern eine ganze Menge dazwischen. Während in Deutschland ca. 155.000 vollblinde Menschen leben, wobei die Zahl der unter 18jährigen seit 1990 leicht rückläufig sein soll, ist die Zahl der sehbehinderten deutlich höher. Zählt man Brillenträger dazu, die ohne Brille beispielsweise ja auch als sehbehindert gelten könnten, wäre die Anzahl riesengroß.

Zwischen den Brillenträgern als solchen und den vollblinden Menschen gibt es allerdings noch eine Zahl von Menschen, bei denen eine Brille die Sehfähigkeit nicht verbessern kann, die aber auch nicht als blind eingestuft werden. Diese haben noch eine Restsehfähigkeit von etwa 10% (Visus 0,1) und weniger. Da jedoch jede einzelne Sehschädigung individuell betrachtet werden muss, sind Zahlen hier wenig hilfreich. Tatsächlich gibt es Menschen, die eine Restsehfähigkeit von 2% effizienter nutzen können, als jemand mit über 10%. Das liegt an unterschiedlichen Faktoren, wie Breite des Gesichtsfeldes oder auch Blendempfindlichkeit. Verfügt jemand beispielsweise über ein sehr enges Gesichtsfeld (vergleichbar mit dem Blick durch eine Röhre oder Schlüsselloch), kann er möglicherweise punktuell sehr gut und scharf sehen, hat dafür allerdings bei der Orientierung Schwierigkeiten. Bei der sogenannten Makuladegeneration (MD) tritt der umgekehrte Fall ein, hier verliert die Makula (der scharfe Punkt in der Mitte) an Schärfe, während die Iris (quasi das Gesichtsfeld) scharf bleibt.

Lösungen und Hilfe

Die Medizin hält für viele Augenerkrankungen inzwischen Lösungen bereit, welche manche sogar Mittels Laserbehandlung korrigieren können. Dies ist allerdings bei einer Erkrankung der Netzhaut schwer bis gar nicht möglich, da diese über ein winziges Nervensystem an das Gehirn angeschlossen ist, dass hier die Wahrscheinlichkeit einer weiterführenden Schädigung größer sein kann. Für solche Erkrankungen, die nicht medizinisch korrigiert werden können und bei denen eine Brille zur Korrektur nicht mehr eingesetzt werden kann, gibt es eine Menge von technischen Hilfen, welche den Sehverlust teilweise oder sogar nahezu vollständig ausgleichen können. Sehbehinderte Menschen profitieren neben optischen vergrößernden Lesehilfen (Lupen, Lesegläser) auch von elektronischen Lesehilfen, wie stationäre und tragbare Bildschirmlesegeräte. Im Gegensatz zu einer Lupe können sie den Kontrast verstärkt und variabel abbilden und sogar Farben umkehren und das Bild entsprechend aufbereiten. Für Handy und Computer stehen Vergrößerungsanwendungen bereit, die sogar in mobilen Betriebssystemen integriert sind.

Für blinde Menschen ist es allerdings etwas komplexer, denn hier muss das „nicht gesehene“ adaptiv aufbereitet und in Sprache und Töne umgesetzt werden. Je nach Anwendungsbereich kommen unterschiedliche Hilfstechnologien zum Einsatz. Farberkennungsgeräte ermitteln die Farbe eines Objektes, Vorlesegeräte setzen gedruckten Text in Sprache um, Bildschirmleser für Handy und Computer bereiten die dargestellten Informationen akustisch auf und präsentieren diese in Sprache oder Blindenschrift, Orientierungstöne können ebenfalls zur Abgrenzung von Informationen verwendet werden. Für die Orientierung stehen Blindenlangstöcke oder -Blindenführhunde zur Verfügung, die mit Navigationsgeräten oder -Programmen ergänzt werden können. Viele dieser Hilfsmittel werden für den Privatbereich von den gesetzlichen Krankenkassen getragen, im beruflichen Einsatz kommen die Agentur für Arbeit oder die Integrationsämter für die Kosten auf.

Weiterführende Unterstützung
Blinde und sehbehinderte Menschen profitieren in Deutschland von einer Menge Hilfen, welche dazu beitragen, die Behinderung in hohem Maße auszugleichen. Keine andere Behindertengruppe bekommt derartig viel Unterstützung, was sicherlich auch daran liegt, dass die Lobby der blinden und sehbehinderten Menschen sehr groß ist. Neben dem Landesblindengeld übernehmen Krankenkassen viele der im Alltag benötigten Hilfsmittel. Zudem sorgt die Wertmarke für eine Kostenbefreiung im öffentlichen Nahverkehr und berechtigt dem blinden oder sehbehinderten Menschen, eine Begleitperson kostenlos mitzunehmen. Auch ein Kraftfahrzeug kann, wenn es sich im Besitz eines Blinden befindet, Trotz Wertmarke steuerfrei gehalten werden. Blinde selbständige haben die Möglichkeit, sich von der Umsatzsteuer zu befreien und das auch dann, wenn sie bis zu zwei Angestellte haben. Desweiteren werden Unternehmen, die blinde und generell schwerbehinderte Menschen beschäftigen, finanziell entlastet und benötigte Hilfsmittel werden von Kostenträgern übernommen.

Das Leben geht weiter!

Trotz aller „Vorzüge“, wenn man die obigen Punkte überhaupt mit einer Erblindung als Solche bezeichnen sollte, bedeutet die Späterblindung für viele ein Einschnitt im Leben, der mitunter psychisch schwere Folgen nach sich ziehen kann. Einfacher haben es sicher diejenigen, welche schon über eine Sehbehinderung verfügen und den Umgang beispielsweise in der Blindenschule mit vollblinden Menschen gewohnt sind. Verliert jedoch ein Mensch, der mitten im Leben steht, unvermittelt das Augenlicht, braucht dieser die Zuwendung von Fachpersonal, das hierauf speziell geschult ist. Dabei stehen die technischen Hilfen an zweiter Stelle, denn zunächst muss das Selbstwertgefühl aufgebaut werden und dem Betroffenen muss klar sein, dass das Leben weiterhin einen Sinn hat. Dies trifft sicherlich auf alle Körperbehinderungen zu, wobei das Sehen doch für Viele die wohl größte Einschränkung bedeutet. Die Ansichten differieren natürlich etwas, weil jeder Mensch individuell ist und mit seinem Schicksal anders verfährt. Sicherlich hilft aber der Umgang mit Gleichgesinnten, um Lebensmut zu fassen oder auch selbst festzustellen, dass es weiterhin Dinge gibt, die das Leben lebenswert machen. Eine professionelle Beratungsstelle ist daher unabdingbar. Nähere Informationen hierzu gibt es im Internet auf zahlreichen Seiten oder beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband in Berlin.

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