Letzte Aktualisierung am 9. Mai 2022
Eher durch Zufall und keineswegs mit Absicht bin ich Top-500-Rezensent bei Amazon geworden. Und das, obwohl ich doch nur gelegentlich mal einen Artikel bewertet habe, wenn dieser mich absolut überzeugt hat. Aber auch Enttäuschungen verbunden mit regelrechter Warnung vor dem Kauf waren darunter. Denn manches ist aus technischer Sicht unzumutbar und man fragt sich, wieso solche Produkte überhaupt verkauft werden dürfen. Beruhigend dabei ist, dass mir hier nur zwei konkrete Produkte in meinen Rezensionen einfallen.
Als ich nun so am Bewerten war und gesehen habe, dass ich ja ein Amazon-Profil ausfüllen kann, habe ich das mal gemacht. Der Grund lag weniger im Präsentieren meiner Person, als in der technischen Neugier, wo und wie meine Daten für den Besucher sichtbar sind. Dieser Schritt allerdings sollte sich rächen, wenn auch in positiver Hinsicht. Denn seit etwa einem dreiviertel Jahr erhalte ich periodisch E-Mails von Verkäufern, die mich um eine Rezension bitten. Als Gegenleistung erhalte ich ein kostenloses Muster oder zahle nur 1% des Kaufpreises. Angeboten wurden mir Funktürklingeln, Computerzubehör, Alkoholtester, Campinglaternen und Energieverbrauchsmesser, Energiespar- und LED-Leuchtmittel, Aroma-Diffuser, wasserdichte Handytaschen, MP3-Player, Mikrofone und Ohrhörer, Bluetooth-Zubehör, wie Lautsprecher und Headsets, Kabel, HDMI-Umschalter, Stative und sogar Springseile, Küchenutensilien und, das finde ich immer ganz toll: Solarleuchten. Denn wenn ich überlege, wie viel Geld ich dafür die letzten Jahre ausgegeben habe und wie vergleichsweise schlecht und kurzlebig viele Artikel sind, ist das quasi eine Art Schadensbegrenzung. Die neuen sind weitaus besser, viele haben helle LEDs, endlich anständige Akkutechnik, Solar-Panels und wenn sie defekt sind, habe ich bestimmt wieder einen Satz neuer. Bei den Solarleuchten geschah es öfter, dass ich von verschiedenen Anbietern exakt baugleiche Produkte erhielt. Natürlich bin ich ehrlich und habe allerhöchstens Passagen meiner älteren Rezensionen kopiert, aber wenn das Produkt schon vorhanden ist, stellt sich ja auch eine Langzeiterfahrung ein. Darüber hinaus wurde mir auch Schmuck angeboten, das Kuriosum schlechthin war ein Ehering für Männer in grau aus Silikon für 14 Euro. Ich wollte schon rückfragen, ob es sich nicht um einen Scherz handelt, aber das Produkt existiert bei Amazon in der Tat. Ein Freund von mir fragte mich spontan, ob dieser auch als Andruckrolle für ein Tonbandgerät taugen könnte. Das wäre natürlich der Hit gewesen, aber ich möchte niemanden veräppeln.
Denn während ich am Anfang noch alles mitnahm, hat sich mein Interesse etwas eingeschränkt. Natürlich interessiert mich weiter technisches Wunderwerk, aber Lightning-Kabel und iPhone-Zubehör kann ich nun wirklich nicht brauchen. Und ich möchte ehrlich bleiben und wenn ich ein Produkt nicht anwenden kann, macht eine Bewertung wenig Sinn. Dies habe ich anhand eines Wulstniederhalters erfahren und Ihr fragt Euch zurecht, was das ist. Das fragte ich den Anbieter auch, aber anstatt einer Erklärung lieferte er mir prompt den zur Bestellung notwendigen Gutscheincode. Im Ergebnis ist es ein Zubehör für die Reifenmontage, um den Wulst auf der anderen Seite plattzudrücken, so dass die zweite Hand erspart bleibt. Gut, dass ich die Mechanik schon bewerten konnte, aber einen Reifen hatte ich dennoch nicht zur Hand. Die Händler scheint dies auch nicht zu interessieren, fünf Sterne reichen. Videos und Fotos möchten viele, aber hier ziehe ich klar Grenzen. LED-Leuchten lassen sich sehr schlecht authentisch fotografieren und irgendwo muss ich meine Zeit und den Gegenwert in Relation setzen. Bei einem Artikel mit einem Verkaufswert von 20 Euro lohnt sich nicht mal eine Stunde Arbeit, auch wenn ich diesen dann behalten kann.
Es gibt verschiedene Wege, wie die Händler die Artikel verstreuen. Viele arbeiten mit Gutschein-Codes, die für eine kurze Zeit gültig sind. Diese reduzieren den Kaufpreis meist auf 0 Euro und erlauben die Direktbestellung. Ohne Amazon Prime würden wohl Versandkosten anfallen, denn der Versand erfolgtmeistens direkt über die Zentrallager von Amazon. Andere senden die Produkte direkt zu, entweder aus China, über Amazon oder durch eine deutsche Niederlassung. Das sind meist Importeure, deren Aufgabe es ist, die Produkte hier in Umlauf zu bringen und die Garantie abzuwickeln. Manche agieren direkt aus China und haben ihre Eigenmarken, andere wiederum arbeiten aus Europa und kaufen diese als OEM-Ware ein, um diese mit ihrem eigenen Label zu vermarkten. An dieser Stelle brauche ich keine zu nennen, wer nach Bluetooth-Tastatur oder Handytasche sucht, wird alle gängigen finden.
Was ich immer wieder gefragt werde ist, wie die Anbieter das eigentlich finanzieren können. Dabei ist das eine ganz einfache Rechnung: Nehmen wir mal an, ein Bluetooth-Ohrhörer kostet im Verkauf 25 Euro. Hiervon geht die Verkaufsprovision ab, denn Händler, die über Amazon verkaufen, müssen dafür bezahlen. Diese dürfte bei Massenabnahme günstiger ausfallen, als für den Privatverkäufer, der um 30% zahlt. Wenn Amazon die Ware noch lagern soll, erhöhen sich die Kosten natürlich. Die Einfuhrzölle aus China müssen bezahlt werden, dann braucht man noch Rücklagen für Austauschprodukte, Personal- und andere Betriebskosten. Wenn ich das so aus dem Bauch heraus schätzen soll, dürfte ein solches Headset keine 10 Euro kosten, bis es den Distributor verlässt. Um nun eine gute Reputation zu erhalten, wird dieser sich bemühte Rezensenten aussuchen und einige seiner Headsets verschenken. Denn psychologisch ist es etwas anderes, ob ich Geld in den Sand gesetzt habe oder ein Produkt erhalte, dass ich eigentlich gar nicht wollte. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit einer guten Bewertung für ihn, er verbessert sein Produkt im Ranking und hier beginnt auch das eigentliche Problem an der Sache, denn psychologisch begibt man sich in ein Abhängigkeitsverhältnis. Weil man möchte ihn einerseits nicht enttäuschen und das nächste Testprogramm wird sich auf Rezensenten beschränken, mit denen der Anbieter zufrieden ist. Andererseits macht es keinen Sinn zu beschönigen, zumal die Händler meistens um ehrliche Bewertungen bitten. Ob dies auch so ehrlich gemeint ist, mag man durchaus anzweifeln, denn von schlechten Rezensionen hat er nichts. Außer, dass er bei Amazon in der Suche abfällt und letztendlich weniger verkauft. In der Logistik bin ich nicht zuhause, aber man kann sich ausmalen, dass Lagerplatz schnell für Nachschub frei werden muss und die Konkurrenz nicht schläft. Schon einige Wochen später kann ein neues, besseres Produkt zu einem günstigeren Preis auftauchen. Die Bluetooth-Ohrhörer, von denen es dutzende gibt, sind ein gutes Beispiel dafür. Während Handytaschen weniger kosten und schneller weggeworfen werden, kann ein unzufriedener Käufer schon frustriert sein und dies auch in einer Rezension äußern. Da nützt es auch nichts, ob sein Frust aufgrund von Lieferengpässen, Fehlbedienung oder Prinzipienreiterei beruht, denn es geht um Sterne.
Aber noch ein weiterer Faktor kommt hinzu, das Preis-Leistungsverhältnis. Denn wenn ich Bluetooth-Ohrhörer für 20 Euro teste, erwarte ich prinzipbedingt ein Minimum an Funktionalität. Hier gab es bislang nur ein Produkt, das klanglich derart schlapp und müde vor sich hin plätscherte und mit seinen Prozessorstörungen nur so vor sich hin sirrte, da war nichts zu machen. Meine daraus resultierenden drei Sterne führten auch prompt zu einer Rückfrage des Händlers, der mich doch nochmal zum Überdenken anregen wollte und das Problem auf einen Produktfehler schob. Ich reagierte recht gelassen, dass diese Punkte ganz sicher kein Fehler sin und er mit solchen Rezensionen rechnen müsse. Um dies zu umgehen, sollte er einfach nächstes Mal besser aufpassen, was er für Produkte anbietet. Denn es steht ja nicht nur der Ruf eines Produkts in Gefahr, sondern auch mein eigener. Das Ranking eines Rezensenten hängt nicht nur von der Anzahl der getätigten Rezensionen ab, sondern auch von den Markierungen als hilfreich und den Antworten auf Kundenfragen, die sich für diese Mühe bedanken. Als ich sah, dass ich etwa 88% an hilfreichen Rezensionen schrieb, stutzte ich erst und schaute mir die Rangliste weiter an und staunte nicht schlecht, dass dieser Wert tatsächlich offenbar überdurchschnittlich ist. Auch wenn man sich Mühe gibt, kann man es nicht allen Recht machen. Ich möchte manchen auch zutrauen, dass sie als Mitbewerber aus Prinzip andere mit nicht hilfreich bewerten. Es gibt auch Menschen, die absolut nicht mit der für sie gegensätzlichen Meinung des lieb gewonnenen Produkts leben können und dann die kritische Meinung auf diese Weise abstrafen. Das ist menschlich und nicht nur bei Amazon zu erleben und stört mich nicht weiter. Denn ich sehe das als Hobby und mache das aus Spaß an der Freude.
Amazon hat übrigens bei den 100 besten Rezensenten ein eigenes Testprogramm und schickt im Firmenauftrag Testprodukte raus. Diese sind ABER MEISTENS nur gestellt und müssen nach dem Test zurückgeschickt werden. Dann gibt es aber Smartphones, Digitalkameras und andere schöne Dinge, die man TEILS AUCH VOR DER EIGENTLICHEN Marktveröffentlichung BEWERTEN KANN. Für die Hersteller ist dies ein Vorteil, denn so können bereits am Tag der Veröffentlichung Rezensionen gelesen werden. Zuletzt bliebe noch die Frage, was ich mit den ganzen schönen Dingen alles anstelle, denn wozu bräuchte ich sieben MP3-Player? – Ganz einfach: Im Freundes- und Familienkreis verteilen. Ich habe keine Lust, selbst aktiv zu werden und Händler sehen es auch nicht gerne, wenn die Testprodukte als Gebrauchtware unter ihren neuen erscheinen. So tue ich einfach ein gutes Werk und erfreue meine Mitmenschen. Aber natürlich auch nur dann, wenn ich selbst die Produkte nicht gebrauchen kann.
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