IT’S OK von NIMM Lab, Bluetooth-Kassettenrekorder mit Schwächen

Letzte Aktualisierung am 9. Mai 2022

Nachdem ich mit Kickstarter-Projekten keine guten Erfahrungen gemacht habe, so warte ich schon über drei Jahre auf meinen LOVE Turntable, versuchte ich es im letzten Jahr erneut, denn die Idee eines neuen Walkman-Ersatzes mit Bluetooth fand ich ganz reizvoll. IT’S OK heißt das Produkt und kommt von NINM Lab, einem chinesischen Unternehmen, das immerhin schon erfolgreiche Kampagnen vorweisen konnte und aktuell Unterstützer für einen Bluetooth-CD-Player mit rückseitiger Magnethalterung und integriertem Lautsprecher sucht.

Der Markt hat sich verändert und physische Tonträger sind für den Mainstream kaum noch interessant. Doch feierte der Walkman in 2019 seinen 40. Geburtstag und das war für NIMM Lab Grund genug, eine moderne Reinkarnation zu entwickeln, zumal sich Kassetten an einem kurzfristigen Retro-Boom erfreuen konnten. Während die damaligen Innovatoren ihren Fokus verlagert haben oder gar nicht mehr in der ursprünglichen Form existieren, wäre es für Kickstarter-Projekte eine gute Chance, an alten Traditionen anzuknüpfen. Das scheint nicht immer zu gelingen, denn nicht nur die Keynesianische Konsumhypothese lehrt uns, dass der Markt durch den Preis reguliert wird und so muss man sich vor der Konzeption fragen, was das Gerät am Ende kosten darf. Das Budget für die Entwicklung und Kosten für mögliche Gebrauchsmuster sind begrenzt, hinzu kommt noch der Umstand, dass man Kassettenrekorder heutzutage sicher nur noch an Liebhaber verkaufen und man den Massenmarkt wohl nicht erreichen wird. Dennoch haben auch Liebhaber ihre Ansprüche und gerade beim IT’S OK sind einige technische Entscheidungen nicht ganz nachvollziehbar. Leider eigentlich, denn er hätte ein guter Walkman-Ersatz werden können.

So fing alles an

Im Internet davon gelesen und gleich die Online-Redaktion von AMAZONA.de informiert, war mein persönlicher Beutemodus aktiv und ich machte bei der Kampagne mit. Ich weiß nicht mehr genau, wie viel ich investiert habe, es dürften umgerechnet zwischen 60 und 80 Euro gewesen sein. Die Crux dabei ist, dass man ein Produkt erwirbt und somit ein Kaufvertrag zustande kommt, bzw. man ein Projekt finanziert und eine Belohnung erhält. Im Idealfall ist das die funktionsfähige Ware als Early Adopter, ohne Rückgaberecht und mit der Garantie um den halben Erdball ist es auch schwierig. Bedenken muss man außerdem, dass bei falscher Deklaration noch Einfuhrzölle und Steuern hinzu kommen, die bei Anlieferung zu bezahlen sind. Schwierig wird es, wenn die Ware nicht über die notwendigen Kennzeichnungen verfügt, dann darf sie nicht in den europäischen Handelsraum eingeführt werden und wird entsorgt oder zurückgeschickt.

Ich hatte zufällig einige Erfahrungen mit dem hiesigen Zoll machen dürfen und war entsprechend vorbereitet, die jeweiligen Logistikunternehmen wickeln dies für einen ab. Günstig ist das in Teilen aber nicht und man hat leider oft den Eindruck, dass die Bemessung etwas willkürlich geschieht. Wenn man wie in einem anderen Fall bei zwei Lieferungen desselben Produkts unterschiedliche Zollgebühren bezahlt, lässt sich ein solcher Eindruck nicht von der Hand weisen. Nach Rückfrage bei DHL und einem befreundeten Zollbeamten gibt es jedoch juristische Bemessungsgrenzen, so wird die Einfuhrumsatzsteuer nach dem geschätzten Wert berechnet, sofern keine realistische Deklaration des Versenders erfolgt ist. Immerhin kann man sich überlegen, die Ware nicht anzunehmen, dann sind jedoch Geld und Produkt weg. Lange überlegen sollte man nicht, denn man behält sich auch Lagerkosten für den Zeitraum vor, wenn man nicht zeitnah reagiert. Alles etwas undurchsichtig in einem ansonsten regulierten Rechtsstaat. Wer öfter etwas aus dem EU-Ausland importieren möchte, vor Allem Gewerbebetriebe, sollte sich daher eine EORI-Nummer beantragen, dann funktioniert die Deklaration deutlich einfacher.

Eigentlich hätte mich der IT’S OK schon Weihnachten 2019 erreichen sollen. Allerdings lag bei kickstarter.com ein Fehler vor und ich erhielt Benachrichtigungen nicht, so konnte ich meine Versanddaten nicht hinterlegen und habe das Projekt zunächst aus den Augen verloren. Als mich dann diesen Sommer doch eine Info erreichte, in der über den erfolgreichen Versand berichtet wurde, meldete ich mich und erhielt die Ware Ende September via China Post

Äußerlichkeiten

Verpackt in einem kleinen Karton nebst Leerkassette kam das Paket wohlbehalten bei mir an. Der IT’S OK selbst besteht aus Kunststoff und eine Bedienungsanleitung liegt nicht bei und wird auch nicht benötigt. Das dunkelblaue Gehäuse besteht vollständig aus Kunststoff und erinnert haptisch an einfache tragbare Kassettenspieler vergangener Tage, jene mit abnehmbarem Gürtelclip. Die Klappe ist transparent und gibt den Blick auf das Innere frei, ein netter optischer Effekt.

NINM Lab IT'S OK Unterseite

Betrieben wird der IT’S OK nicht mit einer fest verbauten Lithium-Zelle, sondern mit zwei AA-Zellen, so dass man auch Akkus verwenden kann und nicht Gefahr läuft, dass der Akku irgendwann nicht mehr funktioniert. LR6-Zellen müssen demnach extern geladen werden, über eine Netzteilbuchse verfügt der IT’S OK nicht.

NINM Lab IT'S OK links

Ein kleiner Schalter auf der kurzen Seite aktiviert Bluetooth, hier befindet sich auch die 3,5 mm Kopfhörerbuchse. Sie gibt das Signal auf beiden Kanälen aus, summiert diese jedoch als Mono-Signal.

NINM Lab IT'S OK vorne

Die lange Vorderseite ist mit Bedienelementen bestückt und erinnert an frühere Modelle von Aiwa und Sony. Eine Aufnahmetaste ist ebenfalls vorhanden und über ein internes Mikrofon kann Sprache aufgezeichnet werden, das habe ich allerdings nicht ausprobiert. Weitere Anschlüsse bis auf Bluetooth gibt es keine.

NINM Lab IT'S OK Gürtelclip

Der Gürtelclip ist immerhin abnehmbar und überhaupt macht die Verarbeitung einen soliden Eindruck. Die transparente Klappe wirkt wertiger, als ich es von manch billigem Kassettenspieler aus den 90ern kenne und die Tasten rasten spürbar ein. Die Mechanik besteht allerdings aus Kunststoff und das merkt man schon deutlich. Ob sie ebenso lange halten wird, wie ein Walkman vergangener Tage, möchte ich bezweifeln.

Die Köpfe scheinen zumindest von ihrer Qualität auszureichen, einen separaten Löschkopf gibt es nicht. Auch weitere Zusatzfunktionen, wie Auto-Reverse, also das automatische Wechseln der Kassettenseite, sucht man vergebens. Das ist aber auch nicht tragisch, auch wenn man für knapp 90 Euro sicherlich einiges mehr hätte erwarten können. Das Bluetooth-Modul versteht immerhin Version 5.0 und aptX sollte auch klappten, was aber klanglich keine Vorteile bringen dürfte.

Der Klang

Zwar Mono und immerhin anhörbar, aber weit entfernt von dem, was selbst ein Walkman der Einstiegsklasse zu leisten vermochte. Die Bänder laufen zu schnell, weil der Andruck nicht richtig kalibriert wurde, dafür stimmt der Azimut und Hörspiele klingen sauber und verständlich. Darin ist er sogar besser, als mein in die Jahre gekommener Sony Diktierrekorder aus den 90ern, dieser hat allerdings einen eingebauten Lautsprecher. Das wäre jetzt noch ein Feature gewesen, der Deckel hätte genügend Platz dafür gelassen, aber dann wäre der Blick auf die Kassette natürlich verwehrt geblieben.

NINM Lab IT'S OK Kassette

Das Eigenrauschen ist verglichen mit damaligen Exemplaren deutlich ausgeprägt, aber hält sich noch in Grenzen. Immerhin gibt es kein störendes Nadeln des Antriebs oder andere Nebengeräusche, dabei setzt sich vorzugsweise der Präsenzbereich durch. Alte Hip-Hop-Kassetten werden vermutlich an Glanz verlieren, gleiches gilt für Aufnahmen mit Dolby, dies fehlt dem IT’S OK ebenso, wie auch damaligen tragbaren Kassettenrekordern häufig. Während Hörspiele an sich recht gut klingen, kommt alleine aufgrund der Mono-Wiedergabe bei Musik keine Freude auf. Es ist unerklärlich, warum die Stereo-Köpfe nicht entsprechend abgenommen werden und man auf diese Weise Potential unnötig verschenkt.

Überhaupt ist alles sehr einfach gehalten, der Bluetooth-Schalter versetzt das eingebaute Modul in den Suchmodus, das sich mit dem nächstmöglichen Empfänger koppelt. Will man es deaktivieren, schaltet man es aus. Dies klappt nicht unbedingt mit jeder HiFi-Anlage oder Headset, aber mit den meisten sollte eine Verbindung problemlos gelingen.

Fazit

Kickstarter-Projekte sind spannend und eher ein Spiel, als dass man sich auf hochwertige Qualität verlassen sollte. Meist sind es Hobbyprojekte, bei denen auch etwas bei rum kommt, aber es ist kein Vergleich zu dem Entwicklungsaufwand, den große japanische Konzerne in früheren Jahrzehnten selbst im Einstiegssegment an den Tag legten. Natürlich ist das kein optimaler Vergleich, aber die Preise vieler Projekte bewegen sich auf teils hohem Niveau, da kann man als Konsument schon einen entsprechenden Gegenwert erwarten. Allerdings spielt die Stückzahl natürlich auch mit in die Produktionskosten hinein, ein NINM IT’S OK kann nicht die Qualität eines Massen-Walkman für 39 Mark aus den 90ern erreichen. Trotzdem ist der aufgerufene Preis ambitioniert und er ist auch nicht der einzige aktuelle Kassettenspieler dieser Art. Schaut man sich manchen Gebrauchtpreis eines echten Walkman an, der über die Jahre auch nicht besser wird, ist die Frage, welche Entscheidung richtiger ist. Garantie oder Rücknahme nach China ist ein Punkt, den man ebenso mit in die Überlegung einbeziehen sollte. Für mich war es ein Experiment und meine Erwartung war dem entsprechend niedrig, was allerdings hiermit beendet ist. Ob mich der LOVE Turntable je erreicht, wird sich zeigen, der jedoch mit rund 330 Euro deutlich mehr gekostet hat und ich heute schon auf den Einfuhrzoll gespannt warte.

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