Navigationsgeräte und Orientierungshilfen

Letzte Aktualisierung am 22. Oktober 2024

Spätestens seit dem Durchbruch von Smartphones muss man niemandem mehr den Sinn und Zweck von Navigationssystemen erklären, obgleich viele diese eher als Kartenersatz nutzen und die eigentliche Navigation abseits vom Kraftfahrzeug eher sinnvolles Beiwerk ist. Blinde Anwender, welche die Karte hingegen nicht sehen können, verwenden als Fußgänger die Navigation hauptsächlich zur Zielführung und haben ganz andere Anforderungen. Die Navigation ist wie das Kommunizieren heute Standard und kostet zwar nichts extra, aber für Blinde sind weitere Faktoren wichtig. So beschränken sich Spezialhilfsmittel längst nicht mehr nur auf die Navigation, sondern erlauben neben der Echtzeitwarnung vor Hindernissen auch das KI-gestützte Auffinden von Treppen, Schildern und Hauseingängen. Daher steht die Navigation stellvertretend auch für Orientierungshilfen, welche jedoch einen Langstock oder Blindenführhund nicht ersetzen können. Krankenkassen sehen ähnlichen Nutzen in solchen Gadgets, weshalb die Antragstellung in den meisten Fällen erfolgreich ist.

Die Urfassung dieses Artikels kann mit Fug und Recht als Highlight der Reihe bezeichnet werden, denn er wurde sogar in der Vereinszeitschrift der Interessengemeinschaft blinder und sehbehinderter Computerbenutzer (ISCB e.V.) vor vielen Jahren abgedruckt, wobei die Version im Netz stets an die zeitlichen Gegebenheiten angepasst wurde. Das ist auch jetzt der Fall, denn neue Produkte und Anforderungen kamen hinzu.

Warum gibt es Navigationssysteme für Blinde?

Manche sind der Ansicht, dass spezielle Navigationsgeräte unnötig seien, weil Smartphones diese Aufgabe übernehmen können. Bezieht man den hohen Energieverbrauch bei der Navigation mit ein, scheint es schon deshalb Gründe für externe Navigationsgeräte zu geben, immerhin möchte man vielleicht noch Energie zum Telefonieren übrigbehalten. Vielmehr sind Es aber die speziellen Anforderungen blinder Personen an die Navigation, welche von Apple Karten oder Google Maps nur teilweise erfüllt werden. Zwar sind besonders in letzter Zeit immersive Funktionen hinzugekommen, wie Tonsignale bei der Routenführung, dennoch gibt es weiterhin gute Gründe, die Navigation von Standard-Apps zu entkoppeln.

VoiceVista Routenvorschau

Zunächst müssen wir die Faktoren Navigation, Orientierungshilfe und Verkehrssicherheit voneinander abgrenzen. Unter der Navigation versteht man die Punkt-zu-Punkt-Führung von der aktuellen Position aus zu einem fest definierten Ziel, dies kann eine bekannte Adresse oder ein Interessenspunkt oder Point Of Interest (kurz POI) sein. Unter Orientierungshilfen versteht man die kontinuierliche Ansage von Weginformationen, unabhängig von einem bestimmten Ziel. Dazu gehören beispielsweise Hinweise zur aktuellen Position, in Kürze folgende Querstraßen, Kreuzungen oder Kreuzungsgestaltung und umliegende interessante Orte und deren relative Richtung. Als Weiteres kommt die Verkehrssicherheit hinzu, die heute immer mehr an Bedeutung gewinnt. Neben der Kennzeichnungspflicht gehören dazu Blindenlangstöcke und Blindenführhunde, aber auch der Bereich oberhalb, den ein Langstock nicht erfasst. Besonders für Letzteres bieten sich eigenständige Hindernismelder an, denn ein Smartphone wäre dazu nicht im Stande. Zwar lassen sich mit LiDAR-Sensoren im Prinzip Entfernungen zu Hindernissen bestimmen, jedoch sind eigenständige Hindernismelder die bessere Wahl.

Apple Karten

Zur Orientierung gehört außerdem das virtuelle Navigieren, so dass man schon im Vorfeld die zu erwartenden Routenpunkte und Querungen betrachten kann. Kennt man die Strecke ein Wenig, ist es sinnvoll zu wissen, an welchen Stellen sich Straßen gut überqueren lassen. Während gewöhnliche Navigationsprogramme zwar die Voransicht einer Route ermöglichen, ist das virtuelle „freie“ Bewegen auf der Karte in der Regel nicht vorgesehen. Am iPhone oder iPad kann man dies mit Apple Karten zumindest ansatzweise tun, indem man mit den Fingern auf der Karte Straßen mit akustischen Rückmeldungen folgen kann, VoiceOver wird hierfür benötigt. Zusätzliche Hinweise melden, ob sich eine Kreuzung voraus befindet und man kann zumindest versuchen, einer Strecke zu folgen. Bei der virtuellen Navigation eines Navigationsgeräts für Blinde wählt man frei einen Punkt und kann sich zur nächsten Straßenkreuzung mit Pfeiltasten auf der Karte bewegen, als wäre man physisch an diesem Ort. Dort angekommen kann man sich entscheiden, in welche Richtung man dem Weg folgen möchte und bekommt auf diese Weise schon zuhause einen Überblick beispielsweise über den anvisierten Urlaubsort. Das ist vergleichbar mit der Karte, die sich sehende Personen im Vorfeld anschauen. Bei der echten Navigation und Zielführung sind überdies besondere Punkte wichtig, die ich in folgenden Beispielen erläutere.

VoiceVista virtuelle Navigation

Beginnen wir mit der Fußgängernavigation, hier gibt es bereits spezielle Anforderungen, wenn mehrere Wege zum Ziel führen. Glücklicherweise habe ich quasi eine Teststrecke direkt vor der Haustür, die mir damals wie heute beim Prüfen spezieller Navigationslösungen hilfreich ist und das Problem verdeutlicht. So befindet sich unser Haus auf östlicher Seite der Bahnlinie in Fronhausen. Jeder Weg ins Dorf erfordert jene Überquerung, hier gibt es drei Möglichkeiten. Entweder per Auto nördlich über den Kreisverkehr, eine Brücke führt über die Bahnlinie, allerdings gibt es dort keinen Fußweg. Oder mit einem Umweg von zwei Kilometern südlich durchs Feld, auch da befindet sich eine wenn auch nur landwirtschaftlich befahrene Brücke, die man fußläufig überqueren kann. Im Optimalfall würde man allerdings rund 200 Meter zum Bahnhof gehen und den kürzesten Weg durch die Bahnunterführung wählen. Wer nun meint, dass sei kein Problem, irrt gewaltig. Viele Testkandidaten, sogar speziell für Blinde und Sehbehinderte konzipierte Apps, haben mich meistens entweder über den Kreisel, oder bei besseren Karten durchs Feld schicken wollen, aber nur selten durch die Unterführung. Bei einigen konnte man den kurzen Weg als Möglichkeit händisch hinzufügen, so dass diese Besonderheit bei einer Routenführung berücksichtigt wird. Zwar bin ich In der Regel als Ortskundiger die Unterführung gegangen und habe neuberechnen lassen, dies bin ich aber in einer fremden Umgebung nicht. Daher stelle ich als Minimalanforderung an ein spezielles Fußgängernavigationssystem für Blinde, dass solche Wegstrecken bevorzugt werden. Sehende Menschen haben das Problem nicht, weil sie abseits vom Routenvorschlag den Bahnhof auf der Karte sehen und vermuten, dass es hier eine Querung geben muss. Blinde Menschen können selbst bei noch vorhandenem Sehrest solche Punkte eher nicht erkennen. Ein Blindenführhund könnte im Zweifel unterstützen, ein Blindenlangstock jedoch nicht.

Matapo BlindShell 2 mit Lazarillo

Weiter geht es mit der Zielführung. Während sehende Nutzer in der Regel die Karte optisch verfolgen und Sprachanweisungen daher oft stummgeschaltet sind, wissen blinde Anwender ohne akribisches Erkunden der Umgebung nicht, auf welcher Seite sich das Ziel tatsächlich befindet. Der Stellar Trek von Humanware will dieses Problem mit einem Kamerasystem lösen, so dass Anwender über KI-gestützte Bilderkennung zur richtigen Hausnummer und Haustür geleitet werden. Das allerdings funktioniert derzeit nicht wirklich, so dass man die Bilder vom Zielort zur Verbesserung an Humanware übermitteln kann. Befindet sich ein Ziel auf der gegenüberliegenden Straßenseite und man hat dies nicht zuvor an den Routenpunkten festgestellt, könnte das auf stark befahrenen Hauptstraßen zum Problem werden. Oftmals befindet sich am Zielpunkt nämlich keine direkte Querungsmöglichkeit. Zu diesem Zweck verfügt der Stellar Trek über eine Erkennung von Fußgängerüberwegen, dies gelingt inzwischen auch mit KI-gestützten Apps und Hilfsmitteln. Navigations-Apps und -Geräte sollten daher auf sehr detaillierte Straßenkarten setzen, die Querungen automatisch ansagen und in die Routenführung mit einplanen. Fußwege in Parks oder abseits von Autostraßen waren lange Zeit höchstens in Großstädten eingetragen, heutzutage hat sich dies jedoch nicht immer zum Positiven entwickelt.

Wie funktionieren Orientierungshilfen und Hindernismelder?

Orientierungshilfen und Hindernismelder könnte man sicher einen eigenen Artikel widmen. Allerdings gehören diese zur Orientierung dazu, weshalb ich das Thema grundlegend anreißen möchte. Während die Navigation, Orientierung und kartengestützte Routen nur die theoretische Realität abbilden können, müssen sich Personen ohne Restsicht auf Hilfsmittel verlassen, um die lokale Umwelt und vor Allem mögliche Gefahrenstellen wahrzunehmen. Die wohl bekanntesten sind der Blindenlangstock und der Blindenführhund, welche bei der Orientierung zum Einsatz kommen und notwendig für den sicheren Weg sind. Das allerdings funktioniert nicht ohne Orientierungs- und Mobilitätstraining, die Amerikaner Pamela und Dennis Corry haben dieses nach Deutschland eingeführt. Das Hamburger IRIS-Institut kann man mit Fug und Recht als Pioniere bezeichnen, die in Zusammenarbeit mit den Corrys blinden Menschen über Jahrzehnte ein großes Stück Selbständigkeit vermittelt haben. Heutzutage gibt es bundesweit viele Ableger, aber nur ein Original. Nicht grundlos zählen blinde Menschen übrigens als gehbehindert, weil sie ohne die genannten Hilfsmittel quasi schutzlos allen Gefahren ausgeliefert wären. Der Blindenlangstock erfasst den Bereich unmittelbar vor dem Nutzer, jedoch besteht das Problem, dass alles ab einer bestimmten Höhe nicht erfasst wird. Man denke beispielsweise an die typischen Baustellenschilder am Wegesrand oder ungeschnittene Hecken. Beliebt vor Allem bei blinden Kindern und meist weniger erlernt, als intuitiv angewendet, ist die heute als KlickSonar bezeichnete Technik. Bei dieser wird vorzugsweises Schnalzen oder sogar mit Knackfröschen die Umgebung aufgrund von Reflexionen akustisch abgetastet. So banal das klingt, kann der daraus resultierende Effekt die Orientierung durch auditive Eindrücke dramatisch verbessern. Das genannte Tippen mit dem Langstock erzeugt ebenfalls ein Knackgeräusch, dass denselben Effekt erzielen soll. KlickSonar ist allerdings eine Wissenschaft für sich und wird von manchen Betroffenen bis zur Perfektion getrieben.

SynPhon Fledermaus

Nur nützt das Menschen mit geringer Hörerfahrung und in lauten Umgebungen wenig, weshalb es Hindernismelder gibt. Diese schicken Ultraschallimpulse und verwenden Reflexionen, die Antwortzeit definiert dabei die Entfernung zum Hindernis. Unterschreitet diese einen vordefinierten Abstand, erfolgt eine akustische oder Vibrationsrückmeldung. Siemens hatte bereits in den 70er Jahren zu diesem Zweck eine Brille mit Steuergerät entwickelt, die über Ultraschallsensoren oberhalb der Nasenflügel verfügte. Damit war es möglich, den Bereich oberhalb der Taille zu erfassen, weiterhin gab es taschenlampengroße Geräte mit vibrierender Metallkette zur Hindernismeldung. Kleiner Nebeneffekt, auch Regentropfen können die Ultraschallwellen reflektieren, so dass es durchaus gewisse Einschränkungen gibt. Ein aktuelles Produkt ist die Fledermaus von SynPhon, die kombiniert die Umgebung bis auf drei Meter mit Ultraschall- und Infrarotsensoren ausleuchtet. Dadurch sollen alle Arten von Materialien und Hindernissen gemeldet werden, wobei auch ein Nahbereichsmodus von 1,5 Metern wählbar ist. Gemeldet wird per akustischem Signal oder Vibration, beides lässt sich auch kombinieren. Zahlreiche Befestigungshilfen erlauben es, die Fledermaus an Rollator, Kinderwagen oder um den Hals zu tragen.

Vistac Laser-Langstock mit angedeutetem Überwachungsbereich des Lasers

Im Verlauf der Jahrzehnte gab und gibt es ähnliche Entwicklungen, wie die in den 80er Jahren vorgestellte Brille Sonic Guide aus Neuseeland, der in den 90ern veröffentlichte Ultra Body Guard von RTB zum Umhängen und der Laser-Langstock von Vistac. Dieser funktioniert anders, so wird hier ein aufgefächerter Laserstrahl eingesetzt, der den Bereich oberhalb des Stocks bis zum Kopf erfasst, die Reflexionen werden von einer speziellen Messeinrichtung ausgewertet und per Vibration im Stockgriff gemeldet. Vorteil dieser Methode ist, dass der Laser horizontal so gebündelt wird, dass er sich nur oberhalb des Langstocks befindet. Ein Nachteil ist allerdings, dass eine akkurate Pendeltechnik genutzt werden muss, weil ansonsten die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Inzwischen bietet der Markt immer wieder neue Konzepte, ob Armbänder, Geräte vor der Brust oder am Langstock, die entweder mit Ultraschall, Infrarot oder Laser die Distanzen zu Objekten erfassen. Manche kombinieren verschiedene Methoden, um eine größtmögliche Effizienz zu bieten. Ob die Warnungen akustisch oder mit Vibrationen erfolgen sollten, ist sicher Geschmackssache, jedoch haben akustische Rückmeldungen den Vorteil, dass durch Lautstärke und Tonhöhe mehr variiert werden kann, könnten dafür in lauten Umgebungen aber überhört werden. Nebenbei war „K“-Sonar vom Entwickler der Sonic Guide ein fantastisches Produkt, das ein breitbandiges Ultraschallsignal über einen Kopfhörer ausgab, so dass man die Umgebung sogar akustisch hören konnte. Ob Glas, Büsche oder Häusermauern, mit etwas Übung konnte man Materialien wahrnehmen, im Prinzip wie eine Taschenlampe für Blinde. Das soll auch mit der Siemens-Brille auf ähnliche Weise möglich gewesen sein.

FeelSpace naviGürtel Illustration

Nicht vergessen darf man den FeelSpace naviGürtel, der über 16 Vibrationseinheiten verfügt und wie ein Kompass die Ausrichtung nach Norden melden kann. Das erlaubt eine freihändige Navigation, weil man den Kompass quasi um den Körper trägt. Mit dem Smartphone verbunden werden die Möglichkeiten deutlich erweitert, bis hin zur Fußgängernavigation wahlweise auf Basis von Apple oder OSM Karten ist einiges möglich, wobei FeelSpace unterstützend haptische Meldungen um den Körper herum verteilt. Allerdings ist der Gürtel recht breit, dafür recht flexibel und besteht aus atmungsaktiven Materialien. Eigentlich ist er mehr ein Kleidungsstück und in vier Größen erhältlich, ob man das mag, kann man nur selbst in der Praxis ausprobieren, diese Möglichkeit bietet der Hersteller an. Allerdings erfordert das An- und Ablegen einen gewissen Aufwand, so dass möglicherweise eine Apple Watch bei der Fußgängernavigation ebenso haptisch unterstützen kann, weiterhin gibt es noch das Sunu Band mit Ultraschall-Hinderniswarnung und einer zugehörigen App, die ähnliches leisten soll. Dann aber natürlich nicht so umfassend, wie es der FeelSpace naviGürtel bietet. Das ist in jedem Fall besser, als beispielsweise vibrierende Schuhe zur Navigationsunterstützung und alles Mögliche, das in den letzten Jahren aufkam und ebenso schnell wieder verschwand. Hier zeigt FeelSpace zumindest, dass sie über Jahre am Ball geblieben sind und das Produkt weiterentwickeln. Besonders Menschen mit Höreinschränkungen oder Gleichgewichtsproblemen sprechen übrigens von einem deutlichen Zugewinn bei der Mobilität, beispielsweise wenn es darum geht, im Freifeld oder auf einer breiten Kreuzung stabil die Richtung zu halten. Das Konzept ist in jedem Fall besser, als beispielsweise vibrierende Schuhe für die Navigationsunterstützung und alles Mögliche, das in den letzten Jahren aufkam und ebenso schnell wieder verschwand. Hier zeigt FeelSpace zumindest, dass sie über Jahre am Ball geblieben sind und das Produkt weiterentwickeln. Wie der Laser-Langstock, Fledermaus, Stellar Trek und andere Produkte dieser Gattung ist der naviGürtel als Hilfsmittel anerkannt und die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen dadurch möglich.

biped NOA

Ein wahrer Evolutionssprung in der Hindernismeldung ist das NOA des schweizerischen Herstellers biped, NOA steht für „Navigation, Orientation and Artificial Intelligence“. Es arbeitet mit einem Kamerasystem mit neun Sensoren und Infrarotausleuchtung, die 180 Grad erfassen und somit auch das, was sich seitlich neben dem Träger befindet. Die akustischen Rückmeldungen unterscheiden sich im Stereopanorama, Tonfrequenz für die Höhe und Schnelligkeit für die Distanz. Darüber hinaus gibt es weitere Töne, denn NOA erkennt auch Löcher und verfügt über eine KI-Szenenbeschreibung, die auch in völliger Dunkelheit funktioniert und Entfernungen zu Gegenständen aufgrund von Vergleichsbildern ermitteln kann. Gehört wird mit drahtlosen Knochenleitern vom Typ Shokz OpenRun Pro, welche die Ohren frei lassen und sich in lauten Umgebungen bei entsprechender Lautstärke auch durch Vibrationen am Wangenknochen bemerkbar machen können. NOA verfügt zwar über einen 6-Achsen-Gyrosensor, aber über kein GPS, so dass zur Navigation das Smartphone und die zugehörige App herhalten müssen. Ich konnte mich einige Wochen lang mit einem Muster auseinandersetzen,das mir von Matapo Distribution zur Verfügung gestellt wurde. Hier waren jedoch einige der Funktionen noch nicht verfügbar, die Hindernismeldung ist allerdings mit Abstand das Beste, was ich bis dato kennengelernt habe. Hier hat der Hersteller viel vor, auch dass Umgebungen in Echtzeit per KI erfasst und entsprechend reagiert werden sollen. So wäre denkbar, dass NOA erkennt, wenn man an einem Bahnhof steht und liest automatisch die nächsten Abfahrten vor. Man darf gespannt sein, was da noch kommen wird. Überhaupt bin ich davon überzeugt, dass die künstliche Intelligenz besonders in diesem Bereich genau wie in der automotiven Technik auch blinden Menschen sehr weiterhelfen kann und wird.

Was ist GPS?

Herzstück eines Navigationssystems sind der GPS- oder andere Empfänger (Global Positioning System in unseren Breiten, sowie inzwischen Galileo für Europa und GLONASS für den asiatischen Raum). Dieser errechnet die etwaige Position auf Basis von Satelliten, deren Flugbahn und Dopplereffekt im Verhältnis zum Zeitlauf gesetzt werden. Neben der Weltzeit übergibt er Koordinaten wie Längen- und Breitengrad, sowie die relative Höhe an das Navigationssystem, so dass ein recht genauer Annährungswert zur tatsächlichen Position auf der Karte abgebildet wird. Zusätzlich liefern heute 6-Achsen-Gyrosensoren Informationen über Geschwindigkeit, Beschleunigung, kompassgenaue Richtungsangaben und Höhenunterschiede in Echtzeit mit, so dass tatsächliche Bewegungsdaten mit einbezogen werden können. Navigationssysteme, die besonders früher nur über GPS-Empfänger verfügten, benötigten für die Erstbestimmung der Position nicht nur besonders lange, weil mindestens vier Satelliten empfangen werden mussten, sondern sie trudelten auch bei langsamen Bewegungen und liefen quasi nach, weil aufgrund der geringen Übermittlungsfrequenz nur eine niedrige Positionsgenauigkeit möglich war. Deshalb boten Smartphones schon früher Vorteile, weil Vorabinformationen aus dem Internet geladen wurden, um die Positionen der Satelliten schon vorher abzufragen und an den Empfänger zu übergeben, (assistive GPS oder AGPS). Dadurch wird das so genannte Fixing beschleunigt, denn der Empfänger muss nicht auf eine Mindestanzahl an Satelliten warten. Weitere Daten, wie Standort des Interneteinwahlpunkts oder die relative Position erreichbarer Funkzellen, sorgten ebenfalls für eine schnelle Positionsbestimmung, wie wir sie heute gewohnt sind. Bei Festeinbausystemen in Kraftfahrzeugen verwendete man Fahrzeugdaten, wie Beschleunigung und Drehzahl, Geschwindigkeit und Wegstrecke zur genaueren Positionsbestimmung, auch Reifensensoren zur Messung des Fahrbahnuntergrunds wurden eingesetzt. Heute ist dies dank moderner Technik und mobilem Internet nicht mehr nötig.

Garmin GPS 12

In der Anfangszeit verfügten Smartphones und Handys eher selten über eingebaute GPS-Empfänger, weshalb man diese umständlich per Kabel oder Bluetooth ankoppeln musste. Einige konnten auch direkt in CompactFlash- oder PC-Card-Steckplätze in PDAs oder Notebooks eingeschoben werden, wurden dann aber nicht selten vom Rechner gestört. Deshalb gab es externe Antennen, die man optional dazukaufen konnte. Diese lieferten eine bessere Performance, benötigten aber wie ältere Empfänger freie Sicht zum Himmel. Bei moderneren GPS-Chips hat die Abtastfrequenz der Satelliten zugenommen, weshalb bessere Empfangsergebnisse auch ohne Zusatzsensoren möglich sind als früher. Alte GPS-Navigationsgeräte benötigten beim Kaltstart erheblich lange, beispielsweise wenn man das Gerät vor einer Zugfahrt abgeschaltet und an einem ganz anderen Standort reaktiviert hat. Die zuletzt gespeicherten Informationen verloren somit an Gültigkeit, weshalb der als Warmstart bezeichnete Vorgang prinzipiell schneller einen Standort findet, wenn man das Navigationsgerät beispielsweise täglich in derselben Region verwendet. Schaltet man die Zusatzfunktionen eines älteren Smartphones ab und vergleicht einen internen mit einem externen Empfänger, werden die Qualitätsunterschiede schnell deutlich. Heute ist das anders, weil Smartphones stets und ständig die Position für Hintergrunddienste überwachen, zu Gunsten der Genauigkeit und zu Lasten der Akkulaufzeit.

Holux M-1000

Je nach Güte eines GPS-Empfängers werden zwischen 8 und 64 Kanäle parallel empfangen bei einer Abtastfrequenz von 1 Hz (sekündlich) oder auch 5 Hz (fünfmal pro Sekunde). Das NMEA 0183-Protokoll ist bei GPS ein Standard und wurde von der National Marine Electronics Association definiert. Es ermöglicht die Kommunikation zwischen der Empfängerelektronik und der Navigationsanwendung. Es gibt verschiedene Chipsätze, die unterschiedlich viele Kanäle und somit Satelliten parallel empfangen können. Für die Positionsbestimmung werden mindestens drei gleichzeitig empfangbare Satelliten benötigt, sowie ein vierter für die Zeitreferenz. Daher bieten typische Empfänger mit 12 Kanälen eine ausreichende Empfangsleistung, weil durchschnittlich etwa sechs bis neun Satelliten empfangen werden. Grundsätzlich gilt, dass mehr Satelliten und höhere Geschwindigkeiten für eine präzisere Positionsbestimmung sorgen und eine bessere Verfolgung ermöglichen (Tracking). Seitdem im Jahr 2000 die künstliche Ungenauigkeit durch das US-Militär unter Bill Clinton abgeschaltet wurde, sind Positionsbestimmungen bis auf wenige Meter genau möglich. Dies ist allerdings auch abhängig von Witterungs- und Umweltbedingungen und liegt nicht allein daran, wie viele Satelliten ein Empfänger theoretisch parallel empfangen kann. Freie Sicht zum Himmel begünstigt die Empfangsmöglichkeiten, ein Stahlbetongebäude könnte in der unmittelbaren Nähe für eine ungewollte Abschirmung sorgen, weshalb Drohnen in der Luft eine vergleichsweise genaue Positionsbestimmung gelingt.

MyGuide Navigationsgerät

Die schon erwähnte Auflösung entscheidet über die Präzision, je mehr Daten pro Sekunde ausgewertet werden, umso genauer kann die Positionsbestimmung erfolgen, wie an folgendem Rechenbeispiel deutlich wird. Wenn wir uns überlegen, dass ein Fahrzeug mit 100 km/h bei gleichförmiger Geschwindigkeit eine Wegstrecke von 27,78 m/s zurücklegt, folgt daraus, dass es sich bei sekündlicher Positionsbestimmung knapp 30 Meter bewegt. Würde es stark abbremsen, bräuchte der Empfänger zur Erkennung etwas Zeit. Bei fünffacher Abtastung wäre die Auflösung höher, so dass etwa alle sechs Meter Wegstrecke die Position erfasst würde und somit die Abweichungen geringer sind. Dies macht deutlich, warum bei Fußgängern die exakte Positionsbestimmung noch schwieriger ist. Bei 3 km/h durchschnittlicher Gehgeschwindigkeit wären dies rund 0,83 m/s, also nicht mal einen Meter. Die Abtastung müsste also um ein Vielfaches höher sein, damit das Stehenbleiben oder ein spontaner Richtungswechsel in Echtzeit angezeigt wird.

Bluetooth GPS Receiver GNS 3000

Die Preise für externe GPS-Empfänger lagen im Jahr 2010 zwischen 40 und 100 Euro, wobei der Preis nicht im Verhältnis zur Leistung stand. Mit externen Aktivantennen wurde der Rauschabstand vergrößert und die Empfangsqualität optimiert, was die Lesbarkeit der Signale begünstigte. Während es heute GPS-Tracker mit Mobilfunkmodul gibt, beispielsweise zur Ortung von Haustieren, gab es damals auch schon GPS-Empfänger mit Speicherfunktion, die man später am Computer auslesen und die Daten auf einer Karte nachträglich abbilden konnte. Das funktionierte auch ohne Navigationssystem, obgleich diese GPS-Logger damals auch Positionsdaten direkt ausliefern konnten. Genutzt wurde das beispielsweise von Speditionen, so dass man den Fahrtverlauf der Mitarbeiter nachträglich überprüfen konnte. Heute funktioniert das vernetzt, so dass eine Taxizentrale beispielsweise die Standorte der Fahrzeugflotte unmittelbar auf einer Karte ablesen kann. Eigenständige GPS-Systeme zur Navigation sind übrigens nicht barrierefrei, weshalb sie an dieser Stelle keine Bedeutung haben sollen.

Holux M-1000C

Zwar hat sich die GPS-Technologie nur unwesentlich verbessert, wohl aber sorgen moderne Prozessoren und Sensoren heute für eine deutlich bessere Nutzererfahrung. Bei Verwendung reiner GPS-Navigationssysteme für Fahrzeuge, die man zeitweise als Fußgänger zur Orientierung genutzt hat, bestand das große Problem in zumeist fehlender freier Sicht im Innenstadtbereich. Nutzer haben die Ungenauigkeit auf der Karte zwar durch Abweichung der tatsächlichen Position gesehen, aber trotzdem den Überblick behalten. Blinde Anwender steckten hingegen ihre Handys mit Navigation in die Taschen und lauschten den Anweisungen per Headset. Dadurch war die Navigation vergleichsweise ungenau, während der erste Trekker von Humanware aus dem Jahr 2002 mit einen Schultergurt mit oben auf angebrachtem GPS-Empfänger ausgestattet war und dadurch eine relativ gute Empfangsleistung bot. In ‚Fahrzeugen bestand diese Ungenauigkeit hingegen nicht, weil sie sich schneller fortbewegen und inmitten auf der Straße eine bessere Satellitenverfolgung möglich war. Man konnte das früher auch selber gut testen, dass man in Häusern oder in der Nähe von Stahlbetonwänden über lange Zeit kein Fix erhielt, wohl aber, wenn man sich rund fünf Meter vom Gebäude entfernt hat. Bei aktuellen Smartphones und tragbaren Navigationsgeräten, die heute nicht selten mit Smartphones gekoppelt werden, kann man sich das gar nicht mehr vorstellen, weil ein Fix in Innenräumen kein Problem mehr darstellt.

Lazarillo Routenanweisung

Frühere GPS-Empfänger beschränkten sich auf reine Positionsdaten, Spezialgeräte beispielsweise für Bergsteiger und Seefahrer gab es mit eingeschränkten Kartenansichten auch. Erst Anfang der 90er Jahre gab es die ersten vernünftigen Navigationsgeräte mit Geodaten, die von speziellen Firmen zugekauft wurden. Eine davon war NAVTEQ aus Chicago, das seit 1985 Geodaten liefert und 2011 von Nokia übernommen und als HERE Maps weitergeführt wurde. Ein Jahr zuvor startete Tele Atlas, ein niederländischer Geodaten-Anbieter, dessen Kunden beispielsweise Blaupunkt, BMW, Daimler, Ericsson und Bosch waren, sowie Google, Apple und Microsoft. Während sich die Gerätehersteller TomTom und Garmin (das zuvor Navigon übernahm) gegenseitig überboten, übernahm 2007 schließlich TomTom das Unternehmen. Als Drittes darf Open Street Map (OSM) nicht fehlen, eine quelloffene Kartenlösung, die inzwischen sehr umfangreich geworden ist und auch viele Objekte, wie Sitzbänke, Mülleimer, Bushaltestellen, Treppen und noch viel mehr enthält. Dies ist möglich, weil jeder wie bei Wikipedia Einträge anlegen kann, was natürlich eine gewisse Gefahr bei der Sorgfalt mitbringt, Hingegen war es bei den anderen Anbietern auch möglich, Vorschläge zu unterbreiten, die nach einer Prüfung ebenfalls umgesetzt wurden. Heutzutage ergänzen sich die Karten und können bei manchen Navigationssystemen überlagert werden, was zu einer teils genaueren Darstellung führt. In den Informationen zu Google Maps und Apple Karten findet man als Quelle Tele Atlas eingetragen. Während heutzutage Satellitenkarten ebenfalls eingesetzt werden, überflogen Hubschrauber in den 80er und 90er Jahren die Länder, um die groben Darstellungen um Fuß-, Wald- und Feldwege zu erweitern. Wie schon erwähnt hatten die Hersteller von Navigationslösungen die Wahl, gröbere oder feiner aufgelöste Karten zu erwerben, wobei Updates der Karten ebenfalls Kosten verursacht haben. Das ist bei dem damaligen Aufwand nachvollziehbar, heute allerdings nicht mehr wirklich.

Welche Anforderungen stellen blinde Benutzer an die Fußgängernavigation?

Ein großer Unterschied zwischen Auto- und Fußgängernavigation besteht in den angebotenen Detailkarten. Fahrzeuge dürfen nicht verkehrt herum in Einbahnstraßen einfahren und manche Bereiche nicht durchfahren. Für Fußgänger gilt das hingegen nicht, sie dürfen Einbahnstraßen in jede Richtung passieren und natürlich auch Fußwege benutzen. Früher gab es in der Auflösung des Kartenmaterials gravierende Unterschiede, die sich auch preislich für die Hersteller auswirkten. Karten mit genauerer Darstellung waren teurer, während grobe Autostraßen günstiger in Fahrzeugen eingesetzt wurden. So gab es Festeinbausysteme, die beispielsweise nur das Fernstraßennetz von Europa auf einer eingelegten CD enthielten, Detailkarten waren optional und später auf DVD erhältlich. Heutzutage kann man sich das kaum vorstellen, zumal es sogar Satelliten- und 3D-Karten kostenlos gibt. Neben Fahrzeug- und Fußgängernavigation gibt es übrigens auch spezielle Navigationsgeräte für Fahrradfahrer, LKWs oder Wohnmobile, die beispielsweise Höhenangaben von Brücken enthalten.

MyWay Pro POI-Anzeige

Problematisch ist die Fußgängernavigation in Industriegebieten, solche Bereiche sind häufig primär auf Fahrzeuge ausgelegt. Weitläufige Grundstücke mit mehreren Gebäuden, deren Eingänge sich umliegend verteilen und die Navigation oftmals bei den Einfahrten endet. Hier ist eine gute Mobilität notwendig, obgleich KI-gestützte Systeme ab diesem Punkt beim Auffinden von Hauseingängen oder Gebäuden behilflich sein könnten. Grund dafür ist, dass Privatgrundstücke im Gegensatz zu Landwirtschaftswegen eher nicht kartografiert werden, weil sie nicht zum Straßennetz gehören. Daran ändern auch Spezialgeräte für Blinde nichts, die aber über hilfreiche Orientierungsfunktionen verfügen.

MyWay Pro Routenbeschreibung

Wenn blinde Nutzer die Karte nicht sehen können, ist eine ausführliche Turn-By-Turn-Navigation mit einer vorher abrufbaren Routenbeschreibung unabdingbar. Diese kann helfen, dass man zumindest grob den Weg und Anzahl möglicher Aktionen auf der Route kennt, die teilweise sogar nummeriert werden. Die Angabe zusätzlicher Himmelsrichtungen der Wegpunkte kann helfen, allerdings ist hierfür ein räumliches Vorstellungsvermögen nützlich. Achten sollte man bei der Routenvorschau darauf, ob und welche Straßen zu begehen sind, Bundesstraßen verfügen in der Regel über keine Fußwege, Landstraßen eher seltener. Führt ein Weg über Hunderte Meter an einem Weg entlang, sollte man hellhörig werden und sich alternative Routen vorschlagen lassen. Dies gelingt aber nur, wenn die Karten das auch hergeben.

FeelSpace-App mit Apple KartenFeelSpace-App mit OSM Karten

Um das nochmal praktisch zu verdeutlichen, betrachten wir erneut unser Beispiel mit der Bahnhofsunterführung. Zur Erinnerung, will man zum örtlichen Supermarkt, kann man über den Kreisel, das Feld oder im Optimalfall wegsparend durch die Bahnunterführung geleitet werden. Wie abhängig die Routenführung vom jeweiligen Kartenmaterial ist, zeigt die Navigation in der FeelSpace-App. Wir sehen hier dieselbe Route, links geplant mit Apple Karten, rechts mit Open Street Maps. Der Unterschied am Ende der Berliner Straße zeigt sich deutlich, während mich die Navigation mit Apple Karten über das Feld führen will, werde ich mit OSM durch die Bahnunterführung geleitet. Das wäre der Optimalfall und erstaunlich, dass dies mit Apple Karten so nicht vorgeschlagen wird. Daran erkennt man schön, dass nicht nur der Navigationsmodus eine Rolle spielt, der Einbahnstraßen außer Acht lässt und mögliche Fußwege mit einbezieht, sondern auch das Kartenmaterial die Zielführung maßgeblich beeinflusst.

Verschiedene Navigationsgeräte für Blinde

In den letzten Jahrzehnten gab es grundsätzlich nicht viele Navigationsgeräte für blinde Anwender, die meisten stammten von Humanware, ehemals Pulse Data. Eines der ersten Geräte war der Humanware Trekker, ein in einem Schultergurt integrierter Pocket PC vom Typ HP iPAQ HX-2490B. Über eine Folie auf dem Touchscreen konnte das Gerät bedient werden und lief quasi mit einer für die Navigation angepassten Anwendung. Das Gerät war ziemlich teuer, zumal Karten pro Bundesland einzeln erworben werden mussten. Dabei war eine Schulung inkludiert, sowie die Anpassung an den heimischen Wohnort und meist gelaufene Strecken. Vertrieben wurde der Trekker in Deutschland von Papenmeier, als Sprachausgabe kam die schnarrende Eloquence zum Einsatz. Der GPS-Empfänger wurde aufgrund des Schultergurts oben platziert und bekam somit eine gute Sicht zum Himmel. Zeitgleich gab es für das hauseigene BrailleNote ein Navigations-Upgrade, das ebenfalls auf Windows for Pocket PC basierte. Ich selbst hatte um 2004 versuchsweise TomTom Navigator 3.0 auf einem Freedom Scientific PAC Mate QX-440 installiert und konnte mir in Echtzeit die Straßennamen auf der Braillezeile anzeigen lassen. Zu dieser Zeit nutzte ich selbst einen FSC Pocket LOOX 600 als Navigationsgerät im Auto und hatte somit schon Erfahrung mit damaligen GPS-Empfängern. Das alles war eher Bastelei mit steiler Lernkurve, weshalb solche Navigationsgeräte zumeist nicht von Jedermann eingesetzt wurden.

KAPSYS Kapten Mobility

Der französische Hersteller KAPSYS brachteeinige Navigationsgeräte auf den Markt, die sich besonders durch günstige Preise auszeichneten. Der KAPTEN+ machte den Anfang und wurde mit nicht wirklich haltbarem Zubehör ausgeliefert,wie Lautsprecher und Ohrhörer mit eigenwilligen Steckerbeleegungen. Wir haben ihn zwar nie vertrieben, aber es riefen viele Nutzer bei uns an,die aufgrund meiner Profession im Audiobereich nach Ersatzteilen anfragten, die von Hersteller und Lieferanten nicht beschafft werden konnten. Bezüglich der Routenführung und Kartenqualität wurde mir unterschiedliches berichtet. Nutzer aus Berlin erzählten von einer hohen, akkuraten Führung auch durch Nebenstraßen und Fußwege, wogegen mir häufiger von einer mangelnden Zuverlässigkeit, schlechter Kartografie und ungenauen Anweisungen berichtet wurde. Ich selbst hatte später den KAPTEN Mobility aus 2008 und diesen in einem Podcast vorgestellt, der offenbar eine deutliche Verbesserung erfuhr. So gab es endlich einen internen Lautsprecher und gewöhnlichen Kopfhöreranschluss, das Gehäuse war gefällig kompakt und er beherrschte auch die virtuelle Orientierung, ein FM-Radio und Medienspieler rundeten das Gesamtpaket ab.

Humanware Trekker Breeze+

Der Humanware Trekker Breeze folgte 2011 fast zehn Jahre später auf den Trekker und war im Unterschied dazu kein wirkliches Navigationsgerät, eher konnte man ihn als Orientierungshilfe bezeichnen. Auf Knopfdruck wurden manuell oder automatisch Informationen über die Position und vorausliegende Querstraßen angesagt, eine Wayback-Funktion konnte auf Tastendruck die gelaufene Strecke wieder zurückführen und Ziele konnten nur angelaufen werden, wenn man sie zuvor am tatsächlichen Ort abgespeichert hat. Viele Anwender störte das und sie wollten auch frei zu einem Zielpunkt navigieren können. Mit dem Trekker+ folgte dann ein Upgrade, das auch die freie Zieleingabe ermöglichte, hierzu wurden die vorhandenen neun Tasten zu einem Keypad zweckentfremdet und der Trekker Breeze zum vollwertigen Navigationsgerät erweitert.

Humanware Victor Reader Trek

Acht Jahre später führte Humanware den Victor Reader Trek ein, quasi eine Mischung aus DAISY-Player mit Online-Funktion und vollständigem Navigationsgerät. Mit der Zifferntastatur war die Texteingabe einfach, allerdings litt unter dieser Kombination etwas die Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit. Wer beispielsweise viele DAISY-Bücher hörte, musste daran denken, den GPS-Empfänger aufgrund des Akkuverbrauchs abzuschalten. Genau genommen war das ein gutes Konzept mit Wi-Fi und Bluetooth, der jedoch seit Ende 2023 nicht mehr erhältlich ist und somit gibt es nur noch begrenzte Updates. Perfekt war er nicht, aber den Aufpreis gegenüber einem Victor Reader Stream NG allemal wert.

Humanware Stellar Trek

Die nächste Evolutionsstufe erreicht Humanware mit dem Stellar Trek, dieser wurde mir freundlicherweise vom Deutschen Hilfsmittelvertrieb in Hannover zur Verfügung gestellt und ist wieder ein reines Navigationsgerät. Im Gegensatz zum Vorgänger kommt er in einem soliden und umweltbeständigen, handschmeichlerischen Gehäuse mit zwei Kameras mit verschiedenen Winkeln auf der Rückseite, mit denen man Türen, Hausnummern und Überwege finden kann. Die Bilddaten lassen sich zur Optimierung an Humanware anonymisiert und freiwillig übertragen. Die Erkennung funktioniert allerdings nur tagsüber, denn ein Kameralicht fehlt. Diese werden außerdem zur Text-, Farb- und Barcode-Erkennung genutzt, dabei hat er gewöhnliche Lebensmittel sogar erkannt und teilweise Zusatzinformationen vorlesen können. Fehlende Barcodes lassen sich lokal im Gerät per Sprachnootiz hinzufügen und sogar sichern. Die Farberkennung ist typischerweise bei Kamerasystemen nicht ganz verlässlich, bei der Texterkennung kann man zwischen sofortigem Textlesen und genauerer Erkennung unterscheiden, das kennt man beispielsweise von Google Lookout. Der Stellar Trek kommt zeitgemäß mit modernem Wi-Fi und Bluetooth, verfügt über deutlich weniger Tasten und ist trotz Mehrfachbelegung recht schlüssig in der Handhabung. Die Karten werden im Gerät gespeichert und per Wi-Fi geladen, ganz Europa passt allerdings nicht hinein. Der Lautsprecher ist phänomenal und spielt so manche Smartphones klanglich an die Wand, Gürtelclip und Handschlaufe liegen bei. Geladen wird er über USB-C, ein Ladegerät mit verschiedenen Aufsätzen liegt ebenfalls im schicken Karton. Wegen des robusten Gehäuses ist eine Tasche nicht nötig, mit rund 1.500 Euro hat er allerdings einen stolzen Preis und kostet etwa doppelt so viel, als dessen Vorgänger. Diese habe ich leider nicht mehr und kann deshalb keine Direktvergleiche anstellen, die Erde dreht sich jedoch weiter und viele der heutigen Navigations-Apps gab es damals nicht oder sind heute leistungsfähiger. Daher liegt die Messlatte höher und meine Anforderungen sind entsprechend gestiegen. Immerhin bedient man den Stellar Trek per Tasten, er funktioniert eigenständig ohne Internet und kommt mit einer exzellenten Texterkennung, so dass er gegenüber einer etwa 1.000 Euro teureren OrCam Read schon deshalb ein Schnäppchen sein könnte.

Humanware Stellar Trek Rückseite

Die virtuelle Kartennavigation gelingt beim Stellar Trek nicht nur von der aktuellen Position, sondern auch ohne GPS von gespeicherten oder gesuchten Adressen aus. Der Empfang dauert beim Einschalten mehrere Minuten, obwohl er die Daten aus dem Internet vorlädt, aus dem Schlafmodus geht das bedeutend schneller. Verliert er die Position, behält er den letzten Standort bei, die Suche nach POIs in der Nähe ist mit der Ansage „Keine GPS-Abdeckung“ bis zum erneuten Fix nur virtuell möglich. Das Prinzip des Erkundens muss man allerdings verstanden haben. Geht man in Marburg beispielsweise vom Marbacher Weg aus immer geradeaus an der Elisabethkirche vorbei, landet man irgendwann beim Rudolphsplatz und erhält keinen Hinweis, dass der Weg inzwischen nach Rechts führt. Immerhin sagt der Stellar Trek die Himmelsrichtung an, wenn man die Wo-Bin-Ich-Taste drückt, das sollte er optional an Kreuzungen automatisch tun. Man weiß schließlich, ob man Pfeil links oder rechts gedrückt hat. Schön wären automatisch angesagte POIs, quasi eine Mikronavigation, so dass auch Hausnummern links und rechts angesagt werden könnten, die Karte gibt das schließlich her. Wie bei den Vorgängern lassen sich eigene Wegpunkte auch abseits der Karte beim physischen Erreichen auf Knopfdruck per Sprachaufzeichnung festlegen, die Tonqualität wurde deutlich verbessert. Die Aufzeichnungen kann man beliebig ersetzen oder durch Textinformationen austauschen. Bluetooth-Tastaturen lassen sich zur besseren Eingabe mit dem Stellar Trek verbinden. Genau wie Wegpunkte können Routen ebenfalls beim Ablaufen aufgezeichnet und mit Sprach- oder Textnotizen versehen werden, die sich später zuhause nachvollziehen und draußen wieder auffinden lassen, das gelingt auch nach wie vor im freien Gelände. Übliche Funktionen scheinen aber zu fehlen, wie Start- und Zielpunkt vertauschen, Zwischenziele einfügen oder alternative Routen über bestimmte Strecken im Voraus planen, immerhin lässt sich zwischen Gehen und Fahren unterscheiden. Der Kompass über ein 6-Achsen-Gyroskop ist nach dem Kalibrieren sehr akkurat und funktioniert auch ohne vorhandenes GPS-Signal.

Humanware Stellar Trek mit Gürtelclip

Im Vergleich zu Smartphones fällt allerdings nicht nur die Geschwindigkeit bis zur ersten Positionsbestimmung, sondern auch das Kartenmaterial zurück. So kennt der Stellar Trek befestigte Feldwege in Fronhausen erst dann, wenn man unter den Feedback-Einstellungen die Anzeige von Rad- und Fußwegen aktiviert. Bundesländer werden teils englisch ausgesprochen, Updatemeldungen derzeit in französisch. Neben Marburg gibt es weitere Bezeichnungen, wie Marburgo und Marbour, ähnliches lässt sich auch bei Mainz, Nürnberg und München nachvollziehen, eine Postleitzahlensuche fehlt noch immer und wäre in diesem Fall echt praktisch. Immerhin wird der deutsche Städtevorschlag angezeigt, wenn man über wahlweise die QWERTZ- oder ABC-Tastatur die ersten Zeichen eingibt, da erweist sich die rückständige Aufteilung nach Bundesländern fast als Vorteil. Es scheint so, als habe man alle vorhandenen Karten der letzten 15 Jahre irgendwie zusammengekippt. Vor Aktivierung der Fußweganzeige wird unser befestigter Feldweg als Sackgasse gemeldet, nach der Aktivierung wird die südliche Bahnhofsbrücke, wie im Übrigen alle Fußwege, als „Fußgängerzone“ angesagt und die Bahnunterführung wird nach wie vor nicht berücksichtigt. Plane ich die Route ins Gewerbegebiet, schickt er mich alternativlos über den gefährlichen Kreisel ohne Fußweg, das sollte in dieser Preisklasse nicht passieren. Mehr noch, die Bahnlinie ist überhaupt nicht verzeichnet und auch keine Bushaltestellen, wohl aber unser Bahnhof. In Marburg fehlt die wichtige Bedarfsampel am Marbacher Weg in Richtung Blindenstudienanstalt, beim Orientieren auf der Karte sollten Einbahnstraßen wenigstens optional angesagt werden. Die POI-Kategorie Transport enthält allerhand Unsinn, Unterkategorien gibt es nicht. Die Sortierung ist ohnehin recht eigenwillig, Dank Google und anderen Diensten bin ich das gar nicht mehr gewohnt. So erkennt er mein Unternehmen zwar korrekt, eine benachbarte Bauzeichnerin wird aber als „Trainingscenter“ kategorisiert und die Datenbank steckt voller Karteileichen und zeigt eher zu viel, als zu wenig an. Dafür werden viele Ampelkreuzungen und Überwege gemeldet, diese Daten sind heutzutage allerdings Standard. Somit bleibt die Frage, warum der Stellar Trek vor Allem wegen des großen Speicherbedarfs so unzureichend ist. Hätte man auf OSM-Karten gesetzt, gäbe es obige Probleme vermutlich nicht. Die Navigation im öffentlichen Nahverkehr ist ebenfalls nicht möglich, weil Linien und Fahrplandaten fehlen, weshalb man das Smartphone auf der Reise ohnehin benötigt und damit auch gleich navigieren könnte. Von der Hardware mag ich den Stellar Trek absolut und hier gibt es nichts zu kritisieren, die Einschränkungen der Kartografie mag in Großstädten und anderen Ländern vielleicht geringer ausfallen. Bei der Navigation verhält er sich exakt wie die beiden Vorgänger, wer diese kennt, wird mit dem Stellar Trek schnell zurechtkommen. Grundsätzlich kann man den Stellar Trek empfehlen, allerdings könnte Humanware noch einiges optimieren, um den Anschluss an selbst kostenfreie Apps nicht weiter zu verlieren.

Einige Navigations-Apps für Blinde im Vergleich

Früher waren die meisten Navigations-Apps eher schwer bis unzugänglich, Spezialanwendungen für Blinde waren selten oder wie Loadstone GPS recht kompliziert bei Installation und Handhabung. Für den Notetaker Paddy gab es um die Jahrtausendwende eine Software zur Navigation, der BAUM Pronto! Kam immerhin noch mit integriertem Kompass. Im Orientierungsfall war die Qualität von den Karten abhängig, bei der Navigation spielten damals wie heute zusätzliche Argumente wie oben beschrieben eine Rolle. Bei der Zielführung im Fußgängermodus haben Google Maps und Apple Karten inzwischen deutlich zugelegt, früher wurden nur visuelle Anweisungen auf der Karte dargestellt. Das galt für Nokia Karten ebenso, für das Code Factory den Screenreader Mobile Speak so optimiert hat, dass viele Informationen zusätzlich angesagt und zugänglich wurden. Grundsätzlich gilt heute nach wie vor, dass herkömmliche Navigations-Apps davon ausgehen, dass Nutzer die Karten optisch im Blick behalten. Nokia Karten war seinerzeit die beste Lösung auch im Preis-Leistungsverhältnis, ein Nokia C5-01 inklusive Mobile Speak für Symbian mit integriertem GPS kostete bei uns teilweise deutlich unter 500 Euro. Im Vergleich mit Navigon auf einem iPhone 4 war die Genauigkeit mit einem Nokia C5-00 damals spürbar besser und auch die Navigationsanweisungen waren exakter, ebenso war der Akkuverbrauch geringer. Das hat sich inzwischen geändert, so ist ein modernes iPhone oder Android-Smartphone entsprechend besser ausgestattet. Mobile Geo war aufgrund der virtuellen Navigationsmöglichkeit tendenziell besser, aber auch deutlich teurer. Als Smartphones mit Windows Mobile vom Markt verschwanden, war nur noch eine Bedienung per Touchscreen möglich und das war für viele damals nicht attraktiv. Was übrigens mit Google Maps heute noch gut funktioniert, ist eine Auflistung der Routenpunkte. Man kann sich im Vorfeld quasi eine Strecke in Textform beschreiben lassen, dies sorgt für eine bessere Orientierung. Speziell für blinde Menschen entwickelte Programme, wie Mobile Geo für Windows Mobile von Code Factory und der Sendero Group, erlaubten auch eine virtuelle Navigation und Springen auf einen Kartenpunkt. Heute gibt es Neben den zugänglichen, mit der Apple Watch und Headset kostenlos nutzbaren Apple Karten für iOS zahlreiche Navigationslösungen,von denen ich einige im Folgenden vorstellen möchte. Diese habe ich einem Kurztest auch in freier Wildbahn unterzogen und hoffe, dass Updates die genannten Nachteile künftig noch ausgleichen können.

HP iPAQ HX-2490B

Seit Jahrzehnten beschäftige ich mich mit der Navigation, habe um 2008 Mobile Geo von der Sendero Group und Code Factory übersetzt und exklusiv in Deutschland vertriebn, somit habe ich mich vor Jahren schon beruflich damit intensiv befassen müssen. Heute schaue ich mit diesem Wissen auf die folgenden Anwendungen und möchte herausfinden, ob die im obigen Abschnitt genannten Punkte berücksichtigt wurden. Leider scheint ViaOpta Nav nicht mehr im AppStore verfügbar zu sein, war es doch lange Zeit die einzige, die mich durch die oben erwähnte Bahnunterführung führte. Als Smartphone-Basis nutzte ich mein iPhone SE aus 2022 und das Shokz OpenRun Pro Knochenleit-Headset, das auch dem biped NOA beiliegt. Als voraus geschicktes Fazit lässt sich feststellen, dass keine der folgenden Apps wirklich schlecht ist und am Ende zählen die individuellen Anforderungen. Übrigens, eine Navigation per ÖPNV bietet keine der Apps, das ist bei Google Maps fantastisch, hier wird man sogar während der Fahrt auf die Anzahl verbleibender Haltepunkte hingewiesen. Apple bietet dies inzwischen ebenfalls und beide beziehen auch Verkehrsmeldungen mit ein, was jedoch bei der Fußgängernavigation zu vernachlässigen ist.

MyWay Pro Abonnement

MyWay Pro aus der Schweiz ist eine recht beliebte App, zu meinem Unverständnis muss ich gestehen. Sie ist zwar im Prinzip gut bedienbar und übersichtlich, aber einiges fehlt leider und macht sie für meine Zwecke unbrauchbar. So fehlt eine virtuelle Navigation, nicht mal POIs lassen sich an einem beliebigen Ort anzeigen. Auf der Startseite werden überdies nur 20 eingeblendet, die Liste kann man nicht erweitern. Wählt man alle Kategorien, wird man regelrecht überfrachtet auch mit Ampeln und Übergängen, unsere Bahnunterführung fehlt. Beschränkt auf Geschäfte sind die 600 Meter zu unserem Gewerbegebiet augenscheinlich zu weit, so dass es anscheinend keinen Lebensmittelmarkt in der Nähe gibt. Ein Blick in die Einstellungen bringt die Lösung, so lässt sich der Umkreis von 200 Metern auf bis zu 2 km erweitern. Die Navigationsanweisungen in der Voransicht sind bis auf die vertauschten Richtungsangaben zwar korrekt (Nordost anstelle von Südwest), aber diese sollte die App eigentlich korrekt aus der Karte ableiten können. Bei der Navigation ins Gewerbegebiet wird eine Distanz von 600 Meter Luftlinie korrekt angezeigt, der Weg führt aber mit über drei Kilometer Umweg durchs Feld, siehe unsere Bahnunterführung. Wie bei allen folgenden Apps lässt sich die Sprachausgabe für die Navigation anhand der installierten Stimmen auswählen. Es ist sinnvoll, eine andere als von VoiceOver zu wählen, damit die überlagernden Sprachanweisung nicht zu anstrengend wirken. Die Take-Me-Home-Funktion kann durch Festlegen der Heimatadresse in den Einstellungen aktiviert werden. Bei der Navigation sind die Anweisungen prägnant, sogar die Himmelsrichtungen passten teilweise besser, aber so richtig warm wurde ich mit dem Ergebnis nicht. Die monatlich 99 Cent, 9,99 Euro jährlich oder einmalig 34,99 Euro sind für das gebotene einerseits nicht zu viel, ein Ausprobieren lohnt sich bei einem kostenlosen Testmonat allemal. Andererseits ist es jedoch eine App weder mit virtueller Navigation, noch mit nützlichen Funktionen, die blinden Anwendern wirklich helfen, immerhin sind die POIs aktuell. Anscheinend ist entwicklungstechnisch über die Zeit recht wenig passiert, was den Sinn eines Abos ebenfalls in Frage stellt. Dies braucht man aber schon, wenn man alle Features nutzen möchte. Lustig übrigens und nicht nur bei MyWay Pro sind die ominösen Schwimmbecken, die es hier zwar nicht gibt, sich jedoch konsequent in den POIs festgefressen zu haben scheinen. Was MyWay Pro übrigens nicht macht, sich ständig mit aktuellen umliegenden Orten zu Wort melden. Die Ansagen beschränken sich offenbar nur auf die Navigation. Damit wirkt sie vergleichsweise still, konzentriert sich dafür aber auf das Wesentliche. Die schönen und ausführlichen Beschreibungen von Wanderwegen steht nur für die Schweiz zur Verfügung, das ist Angesichts der Herkunft zwar verständlich, aber dennoch schade.

Lazarillo Virtuelle Navigation

Lazarillo ist eine kostenlose App, die es auch für Android gibt. Sie erfordert ein Benutzerkonto und setzt auf Community-Features, wie beispielsweise das Teilen von Zielen oder Routen. Die integrierte Navigation ist sehr gut und die Anweisungen präzise, alternativ lässt sich auch Apple Karten oder Google Maps verwenden, bei der ÖPNV-Navigation muss man dies sogar, wobei Lazarillo weiterhin über Punkte in der Nähe informiert. Als Einzige schickt sie mich durch unsere Bahnunterführung, das schafft nicht einmal Apple Karten. Die virtuelle Navigation ist eingeschränkt verfügbar, so kann ich mich zwar an einen Zielpunkt meiner Wahl versetzen, die Gegend abgesehen von POIs jedoch nicht frei erkunden. Vom virtuellen Ort aus werden POIs zwar unmittelbar angesagt und ich kann diese sogar als virtuelles Ziel festlegen, aber freie Adressen müsste man vielleicht zuvor als Favorit ablegen. Anschließend kann ich mir die Route anhand von Wegpunkten anzeigen lassen und bekomme auf diese Weise zumindest einen ungefähren Eindruck, beispielsweise vom Urlaubsort zur nächsten Kneipe. Überhaupt ist die Suche sehr einfach, so gibt man direkt eine Straße oder Namen des POI ein und muss nicht vorher wählen, was man finden will. Die Navigationsanweisungen sind verständlich und lassen kaum Missverständnisse offen, Richtungsangaben passen zur Kartografie und auf Wunsch werden auch POIs in der Nähe angesagt. Da wären wir dann auch bei einem kleinen Nachteil, denn Lazarillo quatscht für meine Begriffe etwas viel, daher würde ich auf die POI-Ansage verzichten. Ich habe Lazarillo immer wieder mal getestet und stelle fest, dass sich einiges in letzter Zeit verbessert hat, das ist großartig und macht sie zu meiner bevorzugten App. Die ÖPNV-Navigation ist ebenfalls möglich, dann wird allerdings unter Anderem Apple Karten oder Google ‚Maps aktiviert.

SeeingAssistant Move

SeeingAssistant Move ist eine in Osteuropa entwickelte App, was man leider auch an den Übersetzungen merkt. Daran kann man sich gewöhnen, wäre da nicht die vielleicht etwas holprige Bedienung. Die Zielführung wird über Apple Karten gelöst, die POIs sind entsprechend aktuell und Navigationsanweisungen werden durch ein auffälliges, aber nicht störendes Bimmeln gemeldet. Sie sind gut verständlich, erfolgen rechtzeitig und können mit POI-Ansagen ergänzt werden. Aktiviert man die Spracherkennung, schaltet das Headset entsprechend um, das geht zu Lasten der Tonqualität. Die App bietet auf der Startseite Zugriff auf die Sprachsteuerung und ist voller Features, die man erst verstehen muss, Ansage erzwingen klingt beispielsweise etwas unhandlich. Zielpunkte lassen sich finden und auf der Karte markieren, wenn man das System verstanden hat. Die Liste kommt von OSM, es können aber auch andere Listen gewählt werden. Virtuelles Navigieren scheint nicht vorgesehen und die Lernkurve ist deutlich steiler als bei anderen Apps. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass manch einer damit zurechtkommen wird.

BlindSquare

BlindSquare fällt etwas aus der Rolle und ist heute eigentlich unnötig geworden. Früher war es als Ergänzung zu Apple Karten oder herkömmlichen Navigationsprogrammen sinnvoll, weil es sich stark auf POIs und Ansage der umliegenden Straßenkreuzungen fokussiert hat. Außerdem werden die Himmelsrichtungen abhängig vom Standort gemeldet. Die Navigation erfolgt üblicherweise über Apple Karten, mit Foursquare (Benutzerkonto erforderlich) können diese Daten noch erweitert werden. Die anfängliche Kategorisierung ist etwas komplex, der Preis für das Gebotene vergleichsweise mit über 30 Euro für heutige Verhältnisse eher hoch. Das kann die App mit dem einfachen Namen Wohin genauso gut und diese ist deutlich günstiger, bietet allerdings dafür keine Hintergrundansagen von POIs in der umliegenden Nähe. Will man navigieren, ist dies zwar möglich, dann allerdings wird Apple Karten oder Google Maps als App verwendet und BlindSquare quatscht hintergründig unentwegt weiter.

VoiceVista Übersicht

VoiceVista ist vermutlich die spannendste Navigationslösung, auch wenn die Routenführung aufgrund Apple Karten unsere Unterführung ausspart. Weiterhin wird an einer Kreuzung ein Zebrastreifen anstatt der barrierefreien Fußgängerampel gemeldet, das konnte MyWay Pro besser. Es werden allerdings mehrere Routen vorgeschlagen, in meinem Fall auch die über den gefährlichen Kreisel, was nicht passieren sollte. Besonders ist die auf Microsoft Soundscape basierende Akustik, das Ganze wurde als Open Source freigegeben und findet sich nun in VoiceVista wieder. Hier werden Straßen und POIs quasi räumlich mit einem leichten Hallanteil zum Zweck der Ortbarkeit dargestellt, was dem Gepiepse von Apple Karten deutlich überlegen ist. Nutzt man AirPods oder andere Headsets mit Tracking-Funktion, dreht sich das Ganze auch im Kopf mit. Schade, dass die AirPods Pro den Gehörgang abdichten und die akustische Durchlassfunktion nicht dem originalen Klangbild entspricht, die Shokz OpenRun Pro sind durch Freilassen des Gehörs ein echter Vorteil, der Sound dreht sich bei Kopfbewegungen dafür nicht mit. Die virtuelle Navigation an einem frei wählbaren Punkt gelingt immersiv durch tatsächliches Drehen, blickt man in Richtung der Straße, wird der Ton lauter und man kann sich simulierend zur nächsten Kreuzung bewegen. Eigentlich fehlen nur noch passende Naturgeräusche, aber auch ohne kommuniziert VoiceVista schon recht viel. Die Navigation erfolgt jedoch nicht immer ganz präzise, meine Wohnadresse wurde immer wieder korrigiert und befand sich zeitweise auch hinter mir. Problem war wohl das iPhone in der Jackentasche, herausgeholt und in der Hand gehalten wurden die Echtzeitergebnisse vor Allem beim Kompass deutlich verbessert. Spannend sind zudem die Ansagen von Straßenkreuzungen, denn die Ansagen verlagern sich im Stereopanorama, wogegen die anderen Apps eher gähnend langweilig wirken. Wo viel Licht ist, ist bekanntermaßen auch viel Schatten, so sind die vielen Tonsignale etwas Kirmes im Kopf. Das kann für hochsensible und geräuschempfindliche Menschen überfordernd sein. Überhaupt gibt es viele Tonsignale, deren Beispiele in den Einstellungen testweise gehört werden können. Toll gelöst ist, dass sich die Bake zum Ziel über ein Headset zeitweise stummschalten lässt. Bleibt man stehen, erkennt VoiceVista dies und reduziert die Tonsignale auf ein Minimum. Prinzipiell kostet es nichts, wer das Projekt aber unterstützen möchte, kann für 0,99 Euro monatlich oder 9,99 Euro pro Jahr ein Abo abschließen. So toll das alles ist, bin ich etwas zwiegespalten. Einerseits beeindruckt die räumliche Abbildung der Umgebung schon, es sollte aber klar sein, dass die Realität stets eine andere sein kann. Dezente Anweisungen, welche Straße voraus liegt und ob man links oder rechts herum gehen muss, können auch über den Lautsprecher ausgegeben werden und es besteht wenn auch eine minimale Gefahr, dass VoiceVista einen zu viel ablenkt. Trotzdem bin ich mir sicher, dass die App ihre Freunde finden wird, zumal blinde Menschen das Gebimmel und viel akustische Action mögen.

Fazit

Mit Ausnahme des Humanware Stellar Trek gibt es derzeit kein eigenständiges Navigationsgerät für blinde Nutzer, das einiges an Mehrwert bietet und eigentlich nur bei den Karten eher patzt. Den Bedienkomfort werden Anwender schätzen, die viel unterwegs sind und den Akku des Smartphones schonen wollen. Trotzdem lässt sich nicht verschweigen, dass Navigations-Apps für Blinde weitgehend kostenlos oder kostengünstig genutzt werden können, aktuellere POI-Daten mitbringen und die Navigation mit öffentlichen Verkehrsmitteln erlauben. Einsteiger können daher sehr niederschwellig die Möglichkeiten testen und die vorgestellten Apps ausprobieren und anhand obiger Punkte für sich entscheiden, was ihnen wichtig ist. Der Stellar Trek ist definitiv eine Empfehlung mit kleinen Einschränkungen, bei den Apps hat mich Lazarillo besonders überzeugt. Bei Orientierungshilfen ist das etwas anders, hir hat jeder andere Präferenzen und Seheinschränkungen. Der FeelSpace naviGürtel ist sehr beliebt und ähnlich wie das biped NOA etwas umständlich, letzteres bietet allerdings reale Rückmeldungen über die unmittelbare Umgebung. Das können Fledermaus und Laser-Langstock auch, aber beschränkt auf das Geschehen vor dem Träger. So hat jedes Produkt seine Schwerpunkte und absolute Daseinsberechtigung.

Ein Kommentar

  1. Henri said:

    ein sehr schöner Artikel. Weiter so!

    21. Mai 2020
    Reply

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