Letzte Aktualisierung am 3. Januar 2020
Das Interview mit Oliver Kalkofe und Peter Rütten hat mir richtig viel Spaß gemacht und wäre mehr Zeit übrig gewesen, hätte man noch viele Punkte erörtern können. Beispielsweise Oliver Kalkofe als Hörspielsprecher in „… und nebenbei Liebe“, oder Peter Rüttens Trash, das zugegeben etwas zu kurz gekommen ist. Was dem Interview vorausging und was es mit der erwähnten Tasse auf sich hat, lest Ihr in diesem Artikel. Leider konnten wir das Interview nur telefonisch durchführen, so dass die Datenkompression und Rauschunterdrückung nicht leicht zu bändigen war.
Es war einmal, so könnte man anfangen, eigentlich ein dummer Zufall oder eher eine Überraschung, als ich mir vor einigen Jahren eine Staffel von Kalkofes Mattscheibe angeschaut habe. Das Ursprungsereignis müsste sich bereits im Jahr 2015 ereignet haben und natürlich dauert es etwas, bis die Folgen vom Fernsehen auf DVD gewandert sind. Zugegeben bin ich ein Fernsehmuffel und so genieße ich die Möglichkeit, mir die hochkulturelle Satire am Stück zu geben. Dabei hoffe ich stets, dass die Verblödungstaktik des Fernsehens nicht aufgeht und eine dosierte Übertragung an mein Bewusstsein zu weniger nachhaltigen Schäden führt. Vermutlich sind wir uns einig, dass wir ohne Oliver Kalkofe nicht annähernd wüssten, was man sich alles im Fernsehen zu senden getraut, quasi als gefilterter Enddarm zwangsverteilter Medialfäkalien, die Befürchtung scheint Kalk laut persönlicher Autogrammkarte mit mir zu teilen.
Während er sich bei dieser tollen Serviceleistung vorwiegend dem schlüpfrigen Untergrund ansonsten unbemerkter und auch kaum zu ertragender Formate widmet, wirft der Kalkinator auch Schlaglichter auf das gewöhnliche Alltagsfernsehen. In diesem Fall traf es die Sendung „Hallo Hessen“ im Nachmittagsprogramm des hr-fernsehen. Wie der Titel der Episode „Eine Tasse für Hessen“ schon ausdrückt, wurde eine Hallo-Hessen-Tasse vom hessischen Rundfunk verlost. Den Gewinner habe ich an der Stimme sofort erkannt, denn Herr Becker ist kein geringerer als ein lieber Nachbar um die Ecke. Was ich allerdings nicht wusste ist, dass dieses Video längst bei YouTube veröffentlicht wurde und in Fronhausen längst die Runde machte. Tele 5 hat sich inzwischen von YouTube getrennt und die Episoden in Eigenregie veröffentlicht. Daher sind auch die zum Teil sehr fragwürdigen Kommentare verschwunden, aber der Reihe nach.
Hier zunächst das Video, das derzeit nur bei Facebook zur Verfügung steht. Daher diesen Link nur anklicken, wenn Ihr damit einverstanden seid, dass Ihr auf Gedeih und Verderb von diesem Laden verfolgt werden wollt. Andernfalls findet Ihr den Take auf Kalkofes Mattscheibe Rekalked, Staffel 4 – „House of Kalks“, Episode 5 – „Germany’s next Top Clown“. Wer kann übrigens schon von sich behaupten, dass sein Nachbar bundesweit auf DVD und Blu-Ray erhältlich ist? Kalkofe hätte übrigens auch folgenden Ausschnitt verwenden können, auf den ich beim Stöbern gestoßen bin und der auch ohne Kalkofes Mattscheibe zum Schmunzeln anregt.
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Her die Tasse!
Die Geschichte ist schnell erzählt, Günter wird live ins Studio geschaltet und will nicht lange reden oder Fragen beantworten, sondern seine Anschrift durchgeben und die Tasse abräumen. Seine Mutter Anny möchte wiederum sichergehen, dass ihn die Tasse auch erreicht und greift Günny unter die Arme, was den Moderator Jens Kölker sichtlich überfordert. Dieser wollte lieber plaudern, anstatt gleich die Tasse verpacken. Wie ich heute weiß, ist alles gut gegangen und die Tasse steht bei Günny in Fronhausen, nun hat er sogar zwei Tassen im Schrank. Wenn man die Hintergründe nicht kennt, könnte man ihn in der Tat für einen leicht verwirrten, älteren Herren mit seiner noch älteren Mutter halten. Tatsächlich ist er fast so alt wie Oliver Kalkofe und hat eine Behinderung. Im Fokus stand auch nicht Günny selbst, sondern der mit dieser Situation sichtlich überforderte Moderator, wie mir Oliver Kalkofe schrieb.
Natürlich parodierte Kalkman alle Beteiligten, nicht nur ich habe darüber Tränen gelacht. Trotzdem gibt es Menschen, die mit vielleicht etwas übertriebener Empathie reagieren und so wurde Kalkofe in den Kommentaren auch beschimpft und angefeindet, wie er sich anmaßen könne, einen behinderten Menschen so aufs Korn zu nehmen. Das kann man so sehen, vor Allem wenn man die beteiligten Personen kennt. Trotzdem sollte einem der gesunde Menschenverstand verdeutlichen, dass der Fokus immer davon abhängt, ob man weiß um wen es geht, oder die Situation als reiner Zuschauer ohne Bezug wahrnimmt. In diesem Fall ist das allerdings etwas anders, denn sozialkompetente Menschen werden die Behinderung direkt erkennen, aber das muss nicht so sein. Getroffen hat mich beispielsweise der Kommentar, dass ja so viele Menschen so jung sterben müssten und so jemand entsprechend alt werden dürfe. Heute würde mir solch ein verbaler Bullshit aufgrund des immer abartiger werdenden Sprachgebrauchs in sozialen Medien vermutlich kaum noch auffallen.
Dabei ist Günny im Dorfleben hoch integriert. Er arbeitet beim Bauhof, hat eine ihn unterstützende Familie und Freunde, auch ist er häufig unterwegs. Sein wohl größtes Hobby ist heute noch der CB-Funk, so kenne ich ihn als „Leuchtturm“ schon seit Anfang der 90er Jahre. Natürlich haben wir uns ob seiner Sprechweise als Jugendliche über ihn lustig gemacht, wie es jeder junge Mensch machen würde, der ihn und die Hintergründe nicht kennt. Heute weiß ich, dass er seine helfende Hand immer reicht, wenn er gebraucht wird. Er ist Mitglied der Burschenschaft Fronhausen und wenn was los ist im Dorf, ist Günny mittendrin. Wenn ihn jemand nicht akzeptiert, stehen die Burschen hinter ihm und das ist ein schönes Praxisbeispiel, dass Inklusion auch ohne komplexe Definition eines Wortes funktioniert.
Wo beginnt die Satire und endet der Humor?
Diese Frage kam im Podcast etwas kurz und lässt sich an diesem Beispiel gut anknüpfen. So hat jeder ein individuelles Verständnis für Humor und was die Eine lustig findet, muss dem Anderen nicht gefallen. Das geht mir mit vielen Humoristen so, denn Comedy ohne Realitätsbezug finde ich selten komisch, ausnahmen gibt es natürlich. Darunter fällt selbstverständlich das Frühstyxradio, „der größte Kulturmagazin der Welt“ und Stenkelfeld von Detlev Gröning und Harald Wehmeier. Es würde mich nicht wundern, wenn sich die Beiden von Dietmar Wischmeyer als Günther, der Treckerfahrer haben inspirieren lassen. Diese beiden hörspielartigen Comedy-Sendungen gehen jedoch stark in satirische Richtung. Zwar werden größtenteils fiktive Handlungsorte genannt, jedoch lassen sich die Situationen häufig auf die Realität ableiten. Während sich Stenkelfeld konzentrisch in einem Dorf abspielt, besteht das Frühstyxradio aus vielfältigen Charakteren und Bereichen, die miteinander korrelieren können, aber nicht müssen.
Kalkofes Mattscheibe ist hingegen ein klar satirisches Format, weil einerseits ein realer Bezug zum Fernsehen und digitalen Medien besteht, andererseits werden auch Stilmittel eingesetzt, die wiederum als konstruktive Fernsehkritik wahrgenommen werden können. Dabei ist zu beobachten, dass mit fortschreitenden Staffeln nicht das Niveau der Mattscheibe, sondern des Fernsehens abnimmt. Der Ausschnitt mit Günny ist daher eine wohltuende Ausnahme, weil es das in der Mattscheibe seltener gewordene Tagesprogramm zeigt. Betrachtet man den Beitrag für sich genommen, könnte man schon den Eindruck gewinnen, dass es sich hier um eine plumpe Behindertenverarsche handelt. Allerdings ist die Gesamtbetrachtung im Kontext der Mattscheibe wiederum eindeutig, dass sich dieser Take weder gegen die Person, noch gegen behinderte Menschen richtet. So beschreibt er ganz banal die skurrile Situation und dies auf mattscheibentypische Weise.
Doch ist Satire wirklich grenzenlos? Gerade in letzter Zeit gab es diesbezüglich immer wieder Reibereien und Einwände, wie weit Satire gehen darf. Dabei ist für mich nicht der Inhalt wichtig sondern wer ihn in welchem Kontext äußert. Satirefreiheit bedeutet nämlich dann auch, dass jeder Hansel auf YouTube irgendwen plump beleidigen darf, wenn er dies als Satire kennzeichnet und hier besteht mitunter ein Problem. Vergleicht man beispielsweise humoristische, politisch motivierte Propaganda auf YouTube mit Alfred Tetzlaff von Wolfgang Menge, werden diese Schwierigkeiten deutlich. So kann ich mich beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen auf die Inhaltskontrolle verlassen, während jedermann ein Video sofort und für Millionen zugänglich hochladen kann. Selbst wenn es gemeldet würde, obliegt es der autokratischen Struktur der mächtigen Konzerne es zu entfernen, eine unabhängige Kontrollinstanz wäre daher sinnvoll. Vielleicht bräuchte es einen Satireausweis, der dem Presseausweis entsprechend Satiriker in ihrem Schaffen auch für die gesellschaftliche Verantwortung gratifiziert. Zwar muss einerseits jeder das Recht haben, seiner Berufung als Satiriker zu folgen, andererseits ist ein Missbrauch dieser Freiheit denkbar. Während Humoristen auch mal albern sein dürfen und oft fiktive Situationen als Maßstab nehmen, beziehen sich Satiriker auf reale Gegebenheiten und Personen. Hier wird allerdings auch differenziert und Personen im öffentlichen Leben müssen deutlich mehr aushalten als Privatpersonen, die jedoch mit Ausnahme von Kalkofes Mattscheibe kaum im Fokus stehen. Ich wollte Oliver noch fragen, ob es neben dem medial wirksamen Fall der Speckboulette mit Klaus Baumgart ernsthafte Konflikte gab, wobei dieser Fall im Nachhinein vielleicht sogar als rechtsmissbräuchlich einzustufen wäre, aber seht selbst.
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Mein Kontakt zu Kalk
Angesichts dieser Situation und etwas erschrocken von den Kommentaren bei YouTube nahm ich kurzerhand Kontakt mit Oliver Kalkofe auf. Nicht um ihn anzuprangern, jedoch wollte ich, dass er und seine Redaktion die Kommentare bemerkt um zu entscheiden, in wieweit diese zu tolerieren sind. Es versteht sich von selbst, dass jemand in diesem Business nicht alle Kanäle aktiv verfolgen kann. Er reagierte prompt und ich schrieb ihm, was Günny für ein toller typ ist. Im Verlauf hatte ich auch mit Günny selbst gesprochen, erkannte das Video und empfand es als lustig, somit alles gut. Dieser Mailwechsel liegt allerdings längere Zeit zurück, denn wir Beide hatten das Thema wieder aus dem Fokus verloren, „zu viel in Kopp“ wie er schrieb. Zugleich versprach er eine Überraschung für Günter in seiner Mail vom 14. September. Diese Nachricht erreichte mich auf einem Kurztrip ins Lipperland. Dort besuchten wir den traditionellen Vilbaser Markt in Blomberg und sicher auch mit etwas Blut im Alkohol reagierte ich am späten Abend prompt und bat direkt um ein Interview. Nicht damit rechnend wurde umgehend ein Termin von seiner Kommunikationsagentur für den 26. September festgesetzt und so war das tolle Gespräch auch schnell im Kasten. Etwa eine Woche zuvor erreichte uns ein tolles Fanpaket unter anderem mit auf uns zugeschnittene Autogrammkarten. Neben DVDs von Kalkofes Mattscheibe und #SchleFaZ, einem Buch und handsignierten Autogrammkarten fand ich eine Maxi-CD von Madness oben auf, mit der ich zunächst wenig anfangen konnte. Madness kenne ich natürlich, eine englische Rock-Band, vielleicht auch teilweise im Ska angesiedelt, Die wohl bekanntesten Titel „Our House“ und „It Must Be Love“aus den 80er Jahren hat wohl jeder schon einmal gehört.
Nun fragte ich mich, was denn diese CD in dem Paket macht. Hat er sich vertan oder wollte er damit etwas ausdrücken? Dass ich eine überaus ansehnliche Musiksammlung inklusive Mattscheiben und Frühstyxradio mein Eigen nenne und auch hinter manchen Tonträgern her bin, konnte er schließlich nicht wissen. Dass ich zudem Madness an sich gerne höre, jedoch nie wirklich beachtet habe, hat er vermutlich geahnt. Meine Recherche führte mich schließlich zu einem Artikel im Rolling Stone Magazin, immerhin ist er auch Kolumnist und hat sich hier auf NW5 bezogen, das ist die beigelegte Maxi. Was soll ich schreiben, der Track ist absolut hörenswert und trifft einer meiner unzähligen Geschmäcker. Mit diesem Wissen wollte ich im Interview spontan unvermittelt „Our House, in the Middle of the Street“ gesungen haben, aber dazu war das Gespräch einfach zu spannend. Immerhin ist NW5 in meinem Archiv und wird mich immer an dieses tolle Interview erinnern und meine nuPro X-8000 zum glühen bringen. Übrigens ist der Song schon über 10 Jahre alt und wurde im Kinofilm „Neues vom WiXXer“ verwendet, der Fortsetzung von „Der WiXXer“ nach einer Hörspielidee von Oliver Kalkofe und Oliver Welke, die Band trat sogar als Nebendarsteller auf.
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Zurück zum Thema, denn das Wichtigste in diesem Paket war natürlich die Tasse von MDR um 4, handsigniert. Die Geschichte erzählte mir Oliver im Podcast, denn es ist das originale Exemplar, das er vor rund 25 Jahren überreicht bekam – eine mehr als tolle Geste. Günny hat sie inzwischen erhalten, jedoch konnte ich sie ihm leider nicht persönlich übergeben. Daher hätte ich gerne ein Foto der Hessen- und MDR-Tasse geschossen, zumal der Kalkman eher unabsichtlich eine quasi Ost-West-Brücke geschlagen hat. Ich gehe nicht davon aus, dass er dies als Wiedergutmachung empfindet, denn gut zu machen ist schließlich nichts. Ich sehe es auch absolut nicht als selbstverständlich an, dass ein Medienschaffender auf alles reagiert und noch dazu so spontan für ein Interview bereitsteht. Weil sich Günny im Gegensatz zu vielen Menschen heutzutage noch sehr über kleine Dinge freuen kann, hat er mit diesem Geschenk jedenfalls alles richtig gemacht, wobei ich ihm die Hintergründe noch erzählen muss. Das könnte allerdings auch Onkel Hotte tun: „Das Geschichtelein von einer orangenen Tasse, die auszog, um dem kleinen Günny das Lachen zu bringen“.
Abschließend muss ich hinzufügen, dass es mich heute regelrecht ärgert, dass wir damals nicht auf Kalkofes Anrufbeantworter gesprochen haben. Als Hannoveraner hätte man längst ein Bierchen miteinander trinken können. Vor Allem, weil er wie ich ein authentischer Typ ist, der sich nicht verstellen muss und auch gerne mal Scheiße labert. Die Besonderheit, dabei auch noch das Niveau hochzuhalten, kann sicher nicht jeder leisten. Bei dieser Begegnung fiel mir wieder auf, welches Ungleichgewicht zwischen Akteur und Zuschauer besteht. Während ich Olivers Persönlichkeit durch die Outtakes und Making-Offs irgendwie einschätzen kann, kennt er mich hingegen gar nicht. Denselben Effekt nehme ich auch bei meinen Hörerinnen und Hörern wahr und bin immer wieder erstaunt darüber, wenn jemand mich auf ein Thema anspricht und ich mich verdutzt wundere, wie man darauf kommt. Mal sehen, was die Zeit bringt, vielleicht schafen es Kalkofe und ich ja tatsächlich mal zu einem Bierchen. Das könnte ein lustiger und spannend philosophischer Abend werden, allerdings ohne journalistische Dokumentation.
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