Smart Home – für mich kein Nutzwert

Letzte Aktualisierung am 16. Januar 2018

Je nachdem, wer eine Studie beauftragt,wird unterschiedliche Schlussfolgerungen erwarten. Gerade für Unternehmen sind Zertifikate auch ein Marketinginstrument und sollen den Kaufanreiz schaffen, davon profitiert auch Smart Home. Jeder kennt das irgendwie von Verbrauchermessen. Da ist ein kleiner Stand mit einer Vielzahl an Gadgets und ein Verkäufer, der die Notwendigkeit so unglaublich einfach und plausibel erklärt und auf jede kritische Frage eine begeisternde Antwort kennt. Nach dem Kauf und einige Jahre später, wenn man das Gadget aus der Schublade kramt, fragt man sich hingegen, wofür man dies eigentlich noch mal gekauft hat. So oder so ähnlich empfinde ich den Hype um Smart Home. Klar ist, wer das als Hobby für sich sieht, wird viele Möglichkeiten entdecken und auch eine gewisse Berechtigung in dieser Technik sehen. Aber für das Gros der Menschen dürften sich viele scheinbar alltagserleichternden Funktionen in der Praxis eher als überflüssig herausstellen. Wer nicht über eine eigene Immobilie verfügt, wird viele Feautes nicht nutzen können oder wollen. Ältere Menschen könnten zwar in manchen Bereichen Erleichterungen erfahren, jedoch sind Installation und Wartung nicht immer für Laien plausibel. Es bedarf nicht nur zur Installation fachkundiges Personal, sondern auch für die Wartung und Programmierung. Da es keine eindeutigen Standards gibt, wäre es auch denkbar, dass man seine teuer erkauften Gadgets irgendwann durch andere ersetzen muss. Daher kann man heute noch nicht von einer nachhaltigen Technologie sprechen. Natürlich ist es einfach, eine Glühlampe einzuschrauben und mit einer App zu steuern. Vom Sofa lässt sich dann der Thermostat am Heizkörper und auch die Beleuchtung in Helligkeit und Farbtemperatur regeln, auch die Rollläden können einfach geschlossen werden. Und macht sich der Gauner an der Kellertür zu schaffen, meldet der Akteur dies auch prompt auf dem Tablet. Und das Ganze geht auch aus dem Urlaub, so suggeriert man dem Beobachter ein bewohntes Haus. Nur zu dumm, dass man aktuell keine Autos bekommt, die automatisiert auf Parkplätze fahren und Androiden, die den Bewohner mimen und so tun, als käme er nach Hause. Stellen wir uns vor, die Akzeptanz würde schlagartig steigen, wäre eine Studie über die rasante Zunahme übergewichtiger Mitbürger nicht auszuschließen.

Dabei ist die Idee an sich ein schon Jahrzehnte alter Hut. Siemens hatte bereits Ende der 90er Jahre Hausgeräte mit Schnittstellen präsentiert und so die mögliche Vernetzung gezeigt, in der Masse kam dies allerdings nicht an. Auch der WDR Computer Club demonstrierte schon in den 80er Jahren ein ausgeklügeltes System zur Heizungssteuerung und Heimautomation (Lallus-Projekt). Die Zeit war aber noch nicht reif dafür und erst heute, als dass sich die Menschen an zentralisierte und übergreifende Dienste gewöhnt haben, sieht dies etwas anders aus. So erleben wir in den letzten Jahren Haushaltsgeräte, wie Kaffeevollautomaten mit Internet-Anbindung oder App-Steuerung, die allerdings einige Handgriffe am Gerät erfordern. Mich erinnert das an die Auswurftaste an der CD-Player-Fernbedienung, über deren Sinn ich nach 30 Jahren keine Antwort weiß. Denn neben aller Spielerei ist doch die essenzielle Frage, welche Vorteile für mich entstehen. Als Nachteile sehe ich starke elektromagnetische Störfelder durch PLC oder andere Übertragungswege, hohe Anschaffungskosten und ein höherer Energiebedarf für den Service. Geräte und Zwischenstecker, aber auch das Smartphone und die erhöhte Kommunikationsbereitschaft der Geräte, fallen darunter. Wenn man über die Ökobilanz und Kosteneinsparungen nachdenkt, sieht Smart Home als Gesamtkonstruktion nicht wirklich attraktiv aus.

Aktuell hat mir die Telekom als großer Anbieter Smart Home wieder offeriert und ich habe mir die Offerte interessiert durchgelesen. Da gibt es eine Basis, monatliche Kosten von um 10 Euro und viele Produkte, die ich als Ergänzung alle kaufen muss. Natürlich empfiehlt man mir Glühbirnen mit SmartSteuerung, das wäre erst der Anfang. Und das, obwohl ich schon Lichtschalter habe, die nicht sehr weit von mir entfernt positioniert sind. Gehe ich ins Bad, ist das Öffnen der Tür und Aktivieren des Lichts genauso ein Handgriff, wie das nachträgliche Ausschalten. Also wo besteht der Nutzwert, außer dass ich die Farbtemperatur meiner Stimmung entsprechend anpassen könnte oder fest definierte Situationen mich in meiner Flexibilität einschränken? Dass man mit so etwas nur mal rumspielt und später nicht mehr nutzt, zeigten mir manche fernbedienbare Lichtelemente vor vielen Jahren. All diese wurden inzwischen durch handelsübliche Leuchten ersetzt, deren Anschaffungskosten und Energieverbrauch beispiellos sind. Eine herkömmliche LED-GLühlampe ist für rund fünf Euro zu haben, eine fernsteuerbare kostet das fünffache.

Einbruchsschutz ist natürlich auch ein Thema. Genau wie die Sicherheits-Industrie für Computerschutz, trifft man hier natürlich einen wunden Punkt. Gleiches gilt für mögliche Gefahren durch Rauch, Wasserschäden und ähnliches. Das sind aber vielleicht noch für mich nachvollziehbare Argumente, die Sicherheit zu erhöhen. Auf der anderen Seite kann man sich aber auch fragen, ob nicht das traditionelle Trennen vom Netz oder Zudrehen des Haupthahns eine ähnlich hohe Sicherheit bei vor Allem geringstmöglichen Kosten bietet. Und wenn es wirklich mal ein Unglück gibt, ist da auch noch die Versicherung. Wären statistisch diese nicht unwahrscheinlichen Eventualfälle allerdings stark verbreitet, würde mir doch diese freiwillig eine Umrüstung in ein smartes Zuhause finanzieren. Wer haftet übrigens, wenn der Akteur einen Brand oder Wasserschaden nicht rechtzeitig meldet?

Bei aller Euphorie abseits des technischen Interesses, gibt es daher viele Punkte abzuwägen. Wenn ich mir zudem überlege, dass erste Berichte über smarte Häuser über 10 Jahre zurückliegen, ist es auch in der Praxis nicht mehr. In meinem Umfeld kenne ich niemanden, der sich dafür aktiv interessiert oder smarte Heimelektronik einsetzt. Es gibt allerdings kleine Ausnahmen, wie elektronische Thermostate. Diese können beispielsweise zeitgesteuert die Heizung ab- und wieder aufdrehen, das ist sinnvoll, ebenso Türspione mit Kameras oder sensorgesteuerte Leuchten. Auch Überwachungskameras können hilfreich sein, sofern deren Schnittstelle nicht von Außen gehackt werden kann. Letztendlich ist es doch aber so, dass nur ein vollständig vernetztes Heim bei absoluter Kompatibilität und somit unter Nutzung einer einzigen zentralen App ergonomisch perfekt wäre. Bleibt nur zu klären, ob das Ganze auch nachhaltig ist und den sowohl zeitlichen, als auch geldlichen Aufwand je relativieren kann. Davon bin ich nicht überzeugt und wir werden sehen, was die künftigen Jahre bringen. Dass die Telekom inzwischen Smart Home für den halben Preis offeriert, könnten meine Ansichten dazu unterstreichen.

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