Weltfrauentag, Gleichberechtigung und diverse Sprachverirrung

Gerade heute macht es Sinn, ein paar Zeilen zum Thema Weltfrauentag und Gleichberechtigung zu schreiben. Die Medien toben sich aktuell ziemlich aus, viele demonstrieren und so mache ich mir auch meine Gedanken. Vor Allem deshalb, weil viele ignorieren, dass es auch eine Menge Frauen gibt, welche diesen Tag als schwachsinnig betrachten und nicht in den Mainstream-Chor des „es muss noch viel passieren“ einsteigen wollen. Mehr noch, sie fühlen sich nicht mal ungleichberechtigt.

Ein Bisschen passt dazu auch das Thema der sprachlichen Verirrung, darüber schrieb ich schon was zum Zigeunerschnitzel-Fall. Denn irgendwie scheint es, dass manche Politiker und Medien sprachliche Formulierungen als so übermächtig ansehen, dass alleine die Verwendung von Diversität ausreichen könnte, das Patriarchat zu zerschlagen. Dabei ist es viel wichtiger, was im Kopf passiert. Denn gerade alltagsgebräuchliche Sprache ist sicher nichts für eine langfristige Umgewöhnung. Für mich ist es beispielsweise überhaupt keine Frage, dass das Geschlecht alleine nichts über die Leistungsfähigkeit oder Karrieremöglichkeiten aussagt. Dennoch lassen sich biologische Unterschiede nicht verleugnen, denn Männer können nicht schwanger werden, egal, was sie versuchen. Nur Mike Krüger hat es geschafft, aber das war ein Film. Trotzdem gibt es in vielen Köpfen Barrieren, die man natürlich aufbrechen muss, jedoch nicht mit verbaler Diversität.

Kleiner Rückblick

Meine Erziehung ist sicher klassisch verlaufen. Ich bin eigentlich geprägt vom Bild der Hausfrau und des berufstätigen Mannes. Im Studium irritierte mich, dass Frauen technisches Interesse zeigen und tatsächlich als Informatikerin eine Karriere starten. Jedoch nicht, weil ich ihnen das nicht zugetraut hätte, sondern weil ich kaum Mädchen in meiner Jugend erlebte, die überhaupt technisches Interesse vorweisen konnten. Als Ausnahme kann ich eine Schulfreundin benennen, die kürzlich unter meiner Anleitung den CD-Player ihres Ehemannes erfolgreich repariert hat. Sicher gäbe es noch mehr Beispiele, aber die Regel war dies nicht. Mädchen interessierten sich für andere Dinge, kommunizierten auch anders und hier und da gab es Schnittpunkte. Weibliche Kumpeltypen, männliche Weicheier und Ausnahmen, die bekanntlich die Regel bestimmen. Für gewöhnlich interessieren sich Mädchen für Autos, Jungs für Pferde. Ich mag Autos und Pferde, und jetzt?

Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, den Menschen zu sehen, egal welches Geschlecht er hat, welcher Konfession er angehört und welcher Herkunft er ist. Alleine in diesem Satz erkennt man den Widerspruch und manch findiger Psychologe möge mir unterstellen, dass ich unterbewusst das weibliche Geschlecht durch mangelnde Diversität abwerte. Falsch gedacht, denn mein Selbstbewusstsein verbietet mir, mich anders auszudrücken, als mir der Schnabel gewachsen ist. Etwas nicht zu schreiben bedeutet schließlich nicht, es nicht zu denken oder gar zu leugnen. So finde ich dieses Holprige, von wegen die Autorin, der Autor oder das Schreibende, als überflüssig und des Problems unwürdig. In Formbriefen werde ich schließlich auch mit Sie angesprochen und nicht mit „Sie oder Er“, was die konsequente Fortführung des Genderspezifischen wäre, mich aber überhaupt nicht stört. In den 90ern wurde es als unschicklich gesehen, dass man in den 70er Jahren und früher in die Bedienungsanleitungen von Haushaltsgeräten die Hausfrau angesprochen hat, heute wäre das ja wieder en vogue. Ich habe auch kein Problem damit, wenn man beispielsweise von den Studierenden spricht, aber es muss sprachlich im Fluss bleiben. Diese Zwangsverkrampfung wider aller Natur und auf Kosten der Lesbarkeit schafft keine Gleichberechtigung und nicht mal Gleichbehandlung.

Sprachbarrieren und Inklusionsblockaden

Vielleicht ist es ein typisch deutsches Phänomen, sich stets verkomplizierend mit Banalitäten und möglichen Auswirkungen zu befassen, ganz nach dem Motto, sich bloß nicht falsch auszudrücken. Dabei wäre es doch sinnvoller, die Energie konkret in die Beseitigung von Problemen fließen zu lassen, die Frauen wirklich nützen: Sexuelle Belästigung wird weniger hart bestraft, als Steuerhinterziehung. Ungleiches Gehalt für Mann und Frau ist gesetzlich nicht verboten. Frauenquote ja, aber nicht auf Zwang, manche Berufe sind für Frauen einfach nicht attraktiver, ebenso weniger für Männer. Es gibt nun mal geschlechterspezifische Eigenarten, die sich zum Teil auch im Interesse und Verhalten äußern, Studien dazu gibt es genug und die würde man sicher nicht kollektiv anzweifeln. Zugleich bedeutet dies aber auch nicht, dass Frauen oder auch Männer für bestimmte Berufe weniger geeignet sein müssen.

Doch was ist mit Migranten, Schwerbehinderten und all denjenigen, die anders sind? Müsste man die nicht auch verbal berücksichtigen oder wäre es ausreichend zu erkennen, dass jeder Mensch einzigartig und anders ist? Dann wäre es anerkennend an die Frau der einfachste Weg, die feminine Formulierung als Maßstab zu verwenden, damit hätte ich überhaupt kein Problem. Hingegen aber mit der Politisierung von Dingen, auf die man natürlich aufmerksam machen muss. Aber sicher nicht dadurch, dass man sich primär auf den kollektiven Formulierungswahn stürzt und alle in Misskredit bringen, die sich daran nicht beteiligen wollen.

Spannend ist die Frage, in wieweit Sprache unser Bewusstsein prägt. Dass sie es tut, ist unbestritten, jedoch ist die Frage des Anteils maßgeblich. Wenn ein Unternehmen Bewerbungsschreiben verfasst, die divers geschrieben sind, aber weder der Personalchef, noch die Sachbearbeiterin dahinterstehen, welchen Sinn hat dann Sprache? Gerade heute wird Sprache als Stilmittel instrumentalisiert, um Meinungen aus Formulierungen zu generieren. Das wird gerade in sozialen Netzwerken missbraucht und sollte uns bewusst machen, dass Sprache keine Rückschlüsse auf Charaktere und soziale Einstellungen ausdrücken muss. Gerade obiges Beispiel zeigt, dass kein Unternehmen von Standards abweicht und wenn Diversität erwartet wird, wird sie benutzt. Ganz gleich, ob man sie mag oder eben nicht.

Für mich gibt es daher weiterhin Negerküsse, Zigeunerschnitzel und auch den Manager, Redakteur oder Techniker. Eben nicht, weil ich Frauen bewusst ausspare, sondern weil die Diversität in Formbriefen noch nicht angekommen ist. Ich denke inklusiv, weshalb Diversität folgende Formulierung erfordern müsste: „Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter mit/ohne Migrationshintergrund und mit möglichen körperlichen oder seelischen Einschränkungen und/oder vegetarischem/veganem Ernährungsanspruch“, möglicherweise fehlen noch bestimmte Kriterien. So bedeutet Diversität auch Diskriminierung und zwar bezogen auf alle Menschen, die anders sind. Wollen wir das? Ich denke nicht. Die maskuline Formulierung ist trotz aller Kritik am Patriarchat aus meiner Sicht das kleinere Übel und wir müssen in den Köpfen das Denken verändern. Sowohl beim Mann, aber auch bei der Frau. Die Politik ist also gefordert, aktiv zu werden und Dinge endlich in die Tat umzusetzen, damit Gleichbehandlung aller Menschen funktioniert.

5 Comments

  1. Lydiaswelt said:

    Als Frau mit Behinderung und Migrationshintergrund stimme ich diesem Beitrag zu.

    8. März 2019
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  2. Vermutlich erleben wir hier die auf die Spitze getriebenen Auswirkungen des sogenannten „Linguistic Turn“ in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Ganze ‚Absolvent*innengenerationen‘ wurden geimpft mit der Idee: „to do things with words“. Als promovierter Linguist (mit Behinderung und Migrationsgeschichte) stimme ich dem Beitrag zu.

    15. März 2019
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  3. K. said:

    Ein wirklich guter Beitrag! Ich wurde damals bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz im Bereich Informatik tatsächlich abgelehnt, weil ich der Meinung der Ausbilderin nach „in diesem Beruf unter all den jungen Männern untergehen würde“. Woher sie diese Einschätzung nahm, ist mir bis heute nicht klar, aber gut. Dass ich eher die Ausnahme war, als Mädchen dass mehr Interesse an Technik als an typisch weiblichen Tätigkeiten hat, hatte ich schon in der Schule und im privaten Umfeld gemerkt, interessiert hat es mich wenig und ich hab trotzdem immer gemacht was mir gefiel, nicht was gesellschaftlich von mir erwartet wurde. Diese Ausbilderin hatte aber nun mal das Sagen darüber, wer den Platz bekommt, dagegen kam ich nicht an.
    Letztendlich regt mich an der Diskussion über Frauenquoten auf, dass ich einen Arbeitsplatz nicht deshalb bekommen wollen würde, weil ich eine Frau bin, sondern nur aufgrund meiner tatsächlichen Eignung dafür, durch Leistung und Wissen. Ich glaube, dass Frauen die jetzt nach einer Quote schreien, nicht weit genug denken. Mir fällt es schwer zu glauben, dass es diesen Frauen gefallen wird, wenn über sie sowas gesagt wird wie „Die hat den Quoten-Job bekommen, mehr nicht.“. Dann passiert nämlich genau das, was diese Frauen nicht wollen: Diskriminiert werden, weil sie Frauen sind!
    Weil es hier um Sprache geht, noch eine Anmerkung: Die Diskussion darüber, man dürfe nicht „der Behinderte“ sagen, weil das diskriminierend wäre, und soll nun „der Mensch mit Behinderung“ verwenden, um das zu umgehen, geht mir genauso auf den Keks wie dieses Gender-Ding! Diese Formulierung stört den Sprachfluss, und ändert an der Tatsache, dass jemand behindert ist, doch absolut gar nichts. Genauso nerven mich Sozialarbeiter und Co. die meinen, man muss davon wegkommen, Behinderte nach Defiziten zu beurteilen, sondern soll doch stattdessen lieber benennen, was der Behinderte an Fähigkeiten hat. Ich stelle es mir schwer vor, bei der Krankenkasse einen Aktivrollstuhl zu beantragen, und dabei nur zu erwähnen was ich noch kann. Das ist jetzt schon etwas überspitzt ausgedrückt, aber letztendlich ist es doch nichts anderes als das. Kostenträger von Hilfsmitteln sind zuständig, wenn es darum geht, eine Behinderung auszugleichen, alles andere würde auch keinen Sinn machen. Ein Hilfsmittel beantragt man eben nicht für das, was man noch kann. Fertig. Diese Diskussion führt zu wirklich schrägen Situationen. Wenn sich jemand bei mir entschuldigt, weil er fragt, ob ich heute noch rausGEHE, obwohl ich ohne Rollstuhl keinen Millimeter weit komme, hat dieser Sprach-Mist doch eindeutig das Ziel verfehlt. Menschen haben so schon oft genug Angst, auf Behinderte zuzugehen. Wenn sie jetzt erst lange überlegen, wie man etwas richtig formuliert, baut das Barrieren auf, nicht ab.

    16. März 2019
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  4. Thomas Groß said:

    Ich war Kommunalpolitiker bei „DIE LINKE“. Dort wurden nach Quote Deligierte zum Parteitag deligiert. Da haben Sich Frauen offensichtlich mit Zureden deligieren lassen um die Quote zu erfüllen. Tatsächlich hatten sie keine Lust und sind zum Parteitag nicht erschienen. So hat die Quotenfrau einem interessierten Mann den Platz weggenommen. Obwohl ich blind bin, würde ich nie sagen ich höre einen Film. Ich sehe ihn!

    18. März 2019
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  5. K. said:

    @Thomas Groß:
    Genau soetwas meinte ich, gutes Beispiel zur Frauenquote!
    Es ist erschreckend, wie sich durch derartige Diskussionen alltägliches verändert! In meiner Schulzeit – in einer Blindenschule vor einigen Jahrzehnten – war es nicht mehr als ein schräger Witz, wenn man sich mit „Wiederhören“ nach der Pause von seinen Freunden verabschiedet hat um ins Klassenzimmer zu gehen. Heute wird ernsthaft diskutiert, ob es diskriminierend ist, sich von einem Blinden mit „Wiedersehen“ zu verabschieden. Hätte mir das damals jemand gesagt, hätte ich gesagt er spinnt! Aber es ist mittlerweile tatsächlich Realität…

    29. März 2019
    Reply

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