Wie man sich aus einer satirischen Speisekarte einen rechtsextremen Kneipier zusammenreimt

Letzte Aktualisierung am 16. Mai 2018

Politik hat für mich im Netz nicht viel zu suchen. Warum das besser ist, zeigt ein trauriges Beispiel auf Facebook, bei dem sich manche Menschen hinter dem Deckmantel der Gleichbehandlung verstecken und zugleich Ihnen unbekannte Menschen diskreditieren. Warum das Buch „Die Welle“ sich wunderbar auf soziale Netzwerke ableiten lässt, lest Ihr in diesem Artikel.

Ich möchte voranstellen, dass es mir nicht darum geht zu bewerten, ob dieser Ausdruck politisch korrekt ist oder nicht. Persönlich habe ich dazu eine Meinung, die im Folgenden deutlich wird. Viel mehr geht es mir darum, die Gefahren des Internets in diesem Artikel klar aufzuzeigen, denn ich sehe in diesem Beispiel ein großes Problem unserer Gesellschaft, dass sich immer mehr in solchen nebensächlichen Phänomenen äußert. Dem aktiv gegenzusteuern, ist allerhöchste Eisenbahn. Immerhin hat man den kritischen Facebook-Beitrag in der betreffenden Gruppe inzwischen entfernt.

Der Hintergrund

Ursprung ist eine Speisekarte des Restaurant Gerstenkorn in der Hannoveraner Südstadt in den Räumlichkeiten des ehemaligen Kalabusch. Ich selbst kenne den Wirt seit Jahrzehnten, es ist unsere Stammkneipe. Auch kenne ich die Speisekarte, denn sie stand Pate für einen Podcast und wurde von mir in Blindenschrift übersetzt. Unter dem Punkt 22 findet sich der Eintrag:

Nichtsesshaftes Balkan-Migrationsschnitzel (ehemals „Zigeunerschnitzel“) Schweineschnitzel mit Paprikasauce (scharf), Pommes frites und gemischtem Salat“

Das reicht aus, eine Diskussion in einer Facebook-Gruppe vom Zaun zu brechen. Diese wurde durch Menschen verursacht, die sich als betroffen wähnen und es überhaupt nicht witzig finden, ganz davon ab, dass Satire auch nicht immer witzig sein muss. Doch sind solche Meinungen nicht immer einhellig. Weitere Kommentare vermuten AfD-Anhänger, eine Kneipe mit rechtsextremen Hintergrund. Die Bemerkung, dass der Wirt Michail ein Grieche ist, führte zur Gegenreaktion, dass es auch, oder vielleicht sogar besonders, griechische Nazis gäbe. Als Folge wurde auf der Seite des Vereins Mimikama®, der sich dem Internet-Missbrauch verschrien hat, folgendes geschrieben (hier im Original nachzulesen):

„…zeigen die Restaurantbesitzer damit doch, dass sie in der Debatte über politische Korrektheit und die Auswirkungen auf den öffentlichen Sprachgebrauch offenbar übehaupt nichts verstanden haben – oder verstehen wollten: Mit schlecht verhohlener Häme machen sie mehr als deutlich, dass sie den Anspruch auf das „Recht auf Diskriminierung“ eigentlich nur sehr ungern aufgegeben haben.“

Über die durchaus peinlichen und provokanten Zeilen der anonymen Autorin Kathrin fernab journalistischer Grundsätze kann man ebenso geteilter Meinung sein, zumal die zitierte Umschreibung des Zigeunerschnitzels verbal nicht gegen geltendes Recht verstößt. Bei allem Respekt für die ansonsten gute Arbeit, wird man selbst zum Täter und relativiert damit die eigenen Vereinsgrundsätze. Dass man keine Tippfehler korrigiert, zugleich Werbung schaltet und um Spenden bittet, lässt sogar ein primär kommerzielles Interesse vermuten. Wenn man dann noch Fakten durch Meinungen ergänzt und damit die Neutralität aufgibt, um eine sich nicht wehrende Person öffentlich zu diskreditieren, hat man sich dadurch als glaubwürdig disqualifiziert. So muss man sich schon überlegen, ob man über Fakten neutral berichten will oder lieber eigene Meinungen verbreitet, das ist gerade beim sensiblen Thema Diskriminierung sehr wichtig.

Natürlich muss nicht jede Äußerung dem Massengeschmack entsprechen. Auch spricht nichts dagegen, diese mit dem notwendigen Respekt zu kommentieren. Kritisch wird es aber, wenn man selbst die Grenzen der Diskriminierung und Ehrverletzung erreicht. Genau diese respektlose Meinungsmache und Grenzüberschreitung im Netz ist heute unser Problem und der Umstand, dass die Menschen oft häufig nicht zwischen Realität und virtuellen Berichten unterscheiden können. Fotomontagen sind sehr einfach zu realisieren, eine Meinung im Netz ist schnell verbreitet und wird eher geglaubt. So auch gesehen mit diesem Artikel, der auch von Tageszeitungen kopiert wurde, journalistisch korrekt aber ohne die Schlussbemerkung. Wenn gerade ein Verein mit solchen Grundsätzen so verantwortungslos handelt, besteht im Vorstand sicher Kklärungsbedarf.

Eigenwerbung und Abwägung

Betrachten wir die deutsche Sprache, finden sich unzählige Wortbeispiele, die auf schlimme Zeiten hindeuten und sicherlich auch von Menschen aus dem Balkan aktiv genutzt werden. Die Müllentsorgung findet sich ebenso im deutschen Sprachgebrauch, wie das Wort Kampfhund, auch wenn sicher nicht alle Tiere dieser Rassen gefährlich sind und entsprechend diskriminiert werden. Es bleibt somit die Frage zu klären, ab wann abzugrenzen ist, ob hier politische Tendenzen erkennbar sind oder es nur um einen harmlosen Ausdruck geht. Die Grenzen sehe ich persönlich dann erreicht, wenn sich Politiker und Künstler mit Vorbildcharakter unglücklich äußern, auch im Wissen der damit verbundenen Verantwortung. Beispiele, wie die Echo-Verleihung 2018, machen dies deutlich und hier darf man durchaus Kritik üben. Dies muss man allerdings anders bewerten, als die Speisekarte einer Eckkneipe, deren Reichweite durch diese fragwürdigen Beiträge erhöht wurde und nicht einmal antisemitischen oder fremdenfeindlichen Grundlagen entspricht. Ich sehe in der alternativen Benennung auch keine Diskriminierung, weil sich die Formulierung gegen eine absurde Entscheidung richtet, aber nicht gegen die betroffenen Personengruppen. Ich bin mir zudem sicher, dass es auch Sinti und Roma gibt, die über diesen Ausdruck ebenso schmunzeln, wie ich über Blindenwitze. Man sollte die Gesellschaft nicht verklären, dass künftig Randgruppen als Tabuthema anzusehen sind und man Gefahr läuft, durch einen falschen Ausdruck geächtet zu werden. Ich denke, dass wir diese Zeit in Ost- und Westdeutschland hinter uns haben und eine Wiederholung die Diskriminierung nicht mindern wird. Das gilt natürlich nicht für antisemitische Propaganda und offene Hetze gegen Minderheiten, dagegen muss man entsprechend auch im Netz mit aller Härte vorgehen. Das Zigeunerschnitzel und der Negerkuss sind hiervon allerdings meilenweit entfernt.

Gegen Diskriminierung zu sein ist daher absolut richtig, aber nicht um jeden Preis und nicht bei jeder Kleinigkeit. Bei Alltagsgütern, deren Begrifflichkeiten über Jahrzehnte im deutschen Sprachgebrauch festgeschrieben stehen, muss man deutlich differenzieren. Dabei ist die Grundfrage wichtig, ob der bloße Gebrauch von Worten als unmittelbare Diskriminierung gesehen werden kann. So finde ich es beispielsweise spannend, dass sich Minderheiten lautstark dagegen äußern und direkt eine Kommune reagiert, dafür weiterhin das Spiel „Blinde Kuh“ in der Kita gespielt wird. Die Forderung, Behinderte als Menschen mit Benachteiligungen zu bezeichnen, wird von mir als behinderter Mensch abgelehnt. Dass man auf Schulhöfen „bist du behindert“ oder „Spast“ ruft ist ein Umstand, mit dem ich gut leben kann. Weil ich weiß, dass diese Ausdrücke nicht automatisch eine politische Meinung abbilden oder gezielt diskriminieren sollen. Die Sprache ist nämlich nicht, was die Menschen verändert, aber der Umgang mit Informationen. Facebook ist hierfür ein Paradebeispiel, dass solche Forderungen sogar gefährliche Ausmaße annehmen können und dadurch die Fordernden auch selbst ins Abseits rücken können. Mit Solidarität hat das wenig zu tun, wenn man verbal anhand von Mutmaßungen Dinge äußert, deren Ursprünge sich aufgrund mangelnder Kenntnisse nicht beurteilen und somit auch nicht neutral abwägen lassen. Ein Umstand, den sich nicht nur die Politik zur Nutze macht, sondern auch militante Gruppen sowohl rechter und linker Natur. Sich vor den Karren spannen zu lassen, auch wenn man eine ähnliche Meinung hat, ist daher nicht immer sinnvoll.

Weiterhin muss die Frage erlaubt sein, warum es erst 60 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg auffällt, dass diese Begrifflichkeit beleidigend ist. Auch muss man sich zugleich fragen, warum jugoslawische Gaststätten selbst Gerichte mit dem Beinamen „Zigeuner“ auf der Speisekarte über Jahrzehnte angeboten haben, gezwungen wurden sie dazu sicher nicht. In Munster, der Kleinstadt in der ich aufgewachsen bin, war der Zigeunergrill ein nahegelegener Imbiss. Erst letztens hörte ich den Titel „Zigeunerjunge“ von Alexandra im Radio, auch Udo Jürgens besang in einer Textzeile: „…“ich will. Wie ein Zigeuner durch die Welt mit dir zieh’n“. Sollte man nun all das aus Pietätsgründen verbieten, dafür aber aggressive Texte in Liedern und Filmen weiterhin dulden, oder wertet man die Textzeile von Udo Jürgens sogar als Huldigung an die Freiheit? Natürlich kann ich absolut verstehen und respektiere auch, dass sich Gruppen mit Begriffen des deutschen Sprachgebrauchs durchaus beleidigt fühlen können. Das Recht, dies zu äußern, ist in einer Demokratie unter dem Grundsatz der freien Meinungsäußerung möglich. Trotzdem aber muss man im Einzelfall abwägen, welche Ziele man mit den geforderten Konsequenzen erreichen will. Da sowohl manche Einwände, als auch der Umgang damit, gelegentlich an der Realität vorbeizielen, liegen mitunter auch Marketingstrategische Motive im Fokus und die Diskriminierung könnte auch als Zugpferd genutzt werden. Sich damit auseinanderzusetzen, empfinde ich in jedem Fall als richtig. Aber in eine Schockstarre zu verfallen, ist aus meiner Sicht eine falsche Herangehensweise, wenn es sich nicht wirklich um eindeutige und bedenkliche Ausdrücke handelt. Ein Negerkuss oder Zigeunerschnitzel reicht mir an dieser Stelle nicht aus. Damit meine ich nicht, dass Minderheiten, übrigens auch ein diskriminierender Begriff, nicht auf Missstände hinweisen sollten, im Gegenteil. Man muss dennoch aufpassen, dass nicht jeder eine breite Bühne bekommt, nur weil sie eingefordert wird. Dieses Beispiel ist daher besonders interessant, denn in Wikipedia ist hier zum Thema Zigeuner unter Anderem folgendes zu lesen:

„Abweichende Lebensformen einer Minderheit innerhalb der Roma werden in dieser Vorstellung nicht nur fälschlich auf die Gruppe insgesamt verallgemeinert, sondern ihr zudem als biologische oder kulturelle Konstante zugeschrieben.“

Daraus resultiert die Frage, ob der Verein sich überhaupt diskriminiert fühlen kann, wenn doch nur ein kleiner Teil der Roma, nicht aber exklusiv, als Zigeuner bezeichnet werden könnte. Trotzdem darf man das großartige Geschenk der Freiheit und damit verbundenen freien Meinungsäußerung in diesem Land nicht übersehen. Trotzdem muss man zugleich genau abwägen, wer einen Anspruch für sich geltend macht und wie schlussendlich damit umgegangen werden muss. Bei sprachlichen Feinheiten ist sicher schwer zu differenzieren, ab wann tatsächlich eine Diskriminierung erfolgt. Problematisch finde ich den zunehmenden Umstand, dass man sogar im Alleingang Veränderungen aufgrund persönlicher Sichtweisen bewirken kann. Eine Vegetarierin hat beispielsweise erreicht, dass eine öffentliche Spieluhr nicht mehr das Lied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ spielt. Diese  Meldung hat mich allerdings auch überlegen lassen, ob es tatsächlich immer richtig ist, dass das Individualinteresse vor dem allgemeinen Interesse stehen muss. In einer Demokratie wird für Gewöhnlich nach dem Mehrheitsprinzip entschieden. Es wäre also im Falle des Zigeunerschnitzels ohne Gesetzesentscheid notwendig, diese Frage der Allgemeinheit zu stellen, anstatt einen allgemeinen Begriff von Oben herab auszusondern. Die Folgenabschätzung sollte dabei eine zentrale Rolle spielen und dem entsprechenden Nutzen abwägen. Will man jedoch Diskriminierung wirklich verhindern, gibt es sicherlich effizientere Möglichkeiten, als Worte verbieten zu lassen.

Demokratie als Chance

Mein Bauchgefühl würde solche Begriffsänderungen grundsätzlich nicht zulassen, weil sie einen gewissen Bestandsschutz haben. Der Negerkuss begleitete mich bis in die 90er Jahre und ich habe zu keiner Zeit weder einen Schwarzafrikaner mit diesem verbunden oder ein Wonnegefühl beim Essen eines solchen verspürt, noch habe ich nie beim Verzehr eines Zigeunerschnitzels an fahrende Völker gedacht. Gleichwohl erinnert mich kein Jägerschnitzel an den ursächlichen Sachverhalt, warum das Schnitzel auf dem Teller landet. Kein Wasserhahn erinnert mich irgendwie an Federvieh und ob man sich in einem Spiegelei tatsächlich spiegelt, habe ich mir noch nicht überlegt. Es wird im Sprachgebrauch immer Parallelen geben, die mehr oder weniger kritisch sind, das ist auch in anderen Sprachen und Ländern der Fall. Ich respektiere zwar zum Einen, dass der Einzelne sich durch Verbalien durchaus oberflächlich gekränkt fühlen kann, auch das ist in der Demokratie sein gutes Recht. Zum Anderen bedeutet Demokratie aber auch, dass gewisse Dinge ausgehalten werden müssen und gerade bei Ausdrücken der Kontext eine ganz wichtige Rolle spielt. Darüber zu diskutieren, ist sicher gut und wichtig. Es gibt aber auch bei mir konkrete Dinge, die mich an anderen Menschen oder Bräuchen stören, die ich aber genauso akzeptieren muss und das auch als meine Pflicht in der Gemeinschaft sehe. Ich habe in der Demokratie gelernt, zu differenzieren und auch, dass mein eigenes Interesse weder im Ganzen stets und ständig eine Rolle spielt, noch dass Dinge, die mir nicht passen oder sich sogar indirekt gegen meine Behinderung richten, nicht persönlich zu verstehen sind.

Vielleicht ist es auch eine Differenz verschiedener Mentalitäten, vor Allem was die Ehre und die Toleranzgrenze betrifft. Das muss ich ebenfalls respektieren und es steht mir nicht zu, dies abzuwerten. Will man aber in diesem Land miteinander und in gemischten Kulturen leben, ist doch die Akzeptanz eines Zigeunerschnitzels gut möglich, wenn man doch selbst die Freiheit als fahrenden Volkes garantiert wissen will. Es ist aus meiner Sicht doppelzüngig, einerseits die Freiheiten in Anspruch zu nehmen, andererseits diskriminierende Tendenzen in einem Essensgericht zu sehen. Ob Vereine ihren Mitgliedern dadurch einen nachhaltigen Gefallen tun, vermag ich nicht zu beurteilen.

Ausgrenzung durch Abgrenzung

Trotzdem frage ich mich seit Jahren, , warum viele Randerscheinungen zu einem Politikum führen müssen. Ob Behinderte, sexuelle Neigungen, ethnische Minderheiten, sie alle gehen auf die Straße und zeigen sich. Das finde ich gut, macht auch das Leben farbenfroh und hat schlussendlich auch was bewirkt, als Beispiel sei vertretend die Ehe für Alle genannt. In diesem Handeln aber sehe ich auch eine gewisse Gefahr und aktive Abgrenzung. Eigentlich machen viele auf sich aufmerksam, weil sie sich in die Gesellschaft integrieren wollen. Zugleich beobachte ich aber auch Fälle, dass man sich mit solchen Aktionen bewusst als außenstehend proklamiert.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen Vorfall bei einer Recherche von Schülern, deren Arbeit über Sinti und Roma im Rahmen eines Geschichtswettbewerbs sogar den ersten Platz in Hessen erzielte. Ich hatte mich damals mit einer der Autorinnen intensiv darüber unterhalten. Sie hat mir beschrieben, dass ihr als 16jähriges Mädchen die Abneigung einer Sinteza deutlich gegenübergebracht wurde und es schwierig war, die wertenden, gegen Deutsche ausgerichteten Aussagen entsprechend abzuschwächen. Ich habe mir damals ihre Notizen durchgelesen, in der auch Brutalitäten innerhalb der Gruppe beschrieben wurden. Für uns war es unverständlich, dass man bewusst nicht mit Deutschen zusammen leben wollte. So gehören auch solche Geschichten zur Realität, die auch nicht unmaßgeblich dazu beitragen, sich als Gruppe aktiv von der Gesellschaft abzugrenzen.

Facebook als Propagandamaschine

Wenn man diesen Vorfall kritisch betrachtet, wird die unglaubliche Maschinerie des Internets und sozialer Netze deutlich, die nicht nur Extremen einen willkommenen Nährboden bieten. Das hat die Gesellschaft verändert, das erleben wir inzwischen auch im realen Leben. Umgreifende Rücksichtslosigkeit und Oberflächlichkeit, einseitige Denkweise, harsche Meinungen und ein zunehmender Respektsverlust ist nicht selten die Folge. Man könnte den Anschein gewinnen, dass es manchen Menschen auch nur darum geht, gegen irgendetwas zu sein, um den eigenen Frust unter dem Deckmantel der Anonymität abzulassen. Dass man sich dahin gehend auch widerspricht, indem man solche Dinge ablehnt und sie zugleich als Stilmittel nutzt, liegt auf der Hand. Alles muss heute in zwei Sätzen erklärt werden, keiner hat Lust, drei Seiten zu lesen. Meinungen werden dadurch einseitig und oberflächlich, die Jagd auf Klicks erscheint wichtiger, als eine respektvolle Diskussion. Dass viele im Netz, wie auch bei vielen Autofahrern zu beobachten, den Mensch am anderen Ende vergessen, ist auch verantwortlich für diese üble Entwicklung. Jeder hat es dabei in der Hand, es besser zu machen und dem Verstand eines Postings voran zu stellen. Was mir in dieser Gesellschaft Angst macht, ist nicht die Diskriminierung, auch nicht die scheinbar von manchen vermutete Enteignung der Demokratie durch die Politik. Mir machen die Menschen Angst, die sich mit ihrer scheinbaren Eigenständigkeit instrumentalisieren lassen. Genau dadurch sind Kriege entstanden, eine Meinungsverschiedenheit oder Territoriale Differenzen waren oft die Ursprünge. Dass Menschen generell eher übereinander, als miteinander reden, ist nicht neu. Dass aber das Internet für andere Effekte sorgt, als man sie vom Stammtisch her kennt, sollte man sehr ernst nehmen und nicht unterschätzen, denn die große Gruppendynamik kann zum Fallstrick werden. Schuld daran ist sicherlich auch der massive Überfluss an Meldungen, mit denen man interagieren will und die damit verbundene Kurzlebigkeit von Informationen.

Vielleicht ist auch der rohe Individualkrieg zwischen Usern im Netz als scheinbare Spielwiese inzwischen schon ausgebrochen und wird durch Meinungen geschürt. „Lügenpresse“ zu schreiben ist schließlich einfacher, als einen Artikel vollständig zu lesen und darüber nachzudenken. Heute sind es subjektive Fakten ohne Substanz, mit denen man irgendwas in die Welt in Sekunden hinausposaunen kann. Die Verantwortung als Ersteller eines Beitrags, der Respekt gegenüber anderen Menschen, Recherche anstatt wilder Unterstellungen, das ist nicht mehr wichtig und kann unsere Gesellschaft in allen Ebenen zerreißen. Unabhängig ist davon auszugehen, dass die meisten Kritiker an der Speisekarte diese wohl bei direktem Kontakt ganz anders bewertet hätten. Wie der Mensch schreibt, was er denkt und wie er sich real verhält, sind nicht selten drei verschiedene Zustände. Ob die nächste Generation vernünftiger wird, bleibt zu hoffen. Immerhin wird sie mit den negativen Auswüchsen dieser Online-Community von Klein auf konfrontiert und hat es in der Hand, die Fehler wett zu machen und etwas zu verändern.

Ein Kommentar

  1. Sakkulina geht um said:

    Alles Gute Ihrem Griechen!

    30. Mai 2018
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