Letzte Aktualisierung am 17. Januar 2018
„Ich bin der Musikant mit Taschenrechner in der Hand …“ – 1981 war es, da erschien das Kraftwerk-Album Computerwelt, dessen zweiter Track auf den Namen Taschenrechner hört. Spinnen die, könnte man sich fragen, wenn man das Ganze recht oberflächlich betrachtet. Immerhin polarisierte Ralf Hüther mit seiner Band, denn einerseits folgten sie dem New-Wave-Gedanken und sprachen mit ihren modernen, bis Dato nie gehörten Klängen junge Technokraten an. Andererseits waren die Ergebnisse nicht so ganz radiotauglich, dominierten doch Disco- und Schlagerklänge die Popmusik. Ralf Hüther als Begründer, Karl Bartos und Florian Schneider, beide inzwischen nicht mehr dabei, hätten sich damals ihren Erfolg nie träumen lassen. So hätten sie wohl auch nie gedacht, dass sie Konzerte im Museum of Modern Art in New York und anderen Städten geben würden, die gefragter wohl nie sein werden. Heute ist Kraftwerk populärer denn je, denn sie sind derzeit wieder auf Tour. Neues gibt es zwar nicht, aber die „Evergreens“ reichen für mehrere Abende aus. Es kommt ja schließlich mehr auf die Show an, als auf die Musik.
Aber bleiben wir nochmal im Jahr 1981, denn nicht selten werden Grundlagen für einen Song von Firmen geschaffen, deren Produkte sich gut zweckentfremden lassen. Die Sprachausgabe des Texas Instruments Speak & Spell, den jeder schon mal gehört hat, war ebenso, wie der CASIO VL-80, maßgeblich für das Album Computerwelt verantwortlich. Auch die Hörspiel-Schmiede Europa (Miller) setzte den TI Lerncomputer als Hintergrundsound für einige Science-Fiction-Reihen ein.
bleiben wir beim VL-80, denn Synergie ist alles. Casio, als Hersteller von Taschenrechnern, Uhren und Synthesizern, baute mit dem VL-1 ein Minitasten-Keyboard, dessen Nebenfunktion ein Taschenrechner war. „Da, da, da“ von Trio mit der markanten Rhythmus-Spur verhalf dem Gerät und letztendlich auch dem Hersteller zu breiter Bekanntheit. Da lag es nahe, dass Casio Stephan Remmler verpflichtete, ihre Geräte in diversen Songs zu nutzen und auf Bühnen stolz zu präsentieren. Auch wenn man es heute fast nicht glauben kann, war Casio seinerzeit so populär, wie Yamaha heute. Später wurden die Keyboards auch von Hohner lizenziert, Ende der 80er wendete sich das Blatt allerdings wieder.
Während nun das VL-1 Keyboard einen Taschenrechner enthielt, gab es auch einen Taschenrechner, der eine Klangerzeugung besaß, den VL-80. Ich war damals etwa neun Jahre alt, als mein vollblinder Musiklehrer mit dem Teil um die Ecke kam: Ein kleines Gerät, bei dem jede Taste einen Ton von sich gab. Die Töne waren chromatisch gestimmt, so dass man ihn als Blinder quasi als „singenden Rechner“ benutzen konnte. Das Ergebnis wurde somit nicht nur optisch angezeigt, sondern ergab auch eine Melodie. Mit absolutem Gehör, konnte man dieses dann quasi akustisch ablesen. Natürlich war der Klangcharakter recht simpel, eine Rechteckschwingung mit einer Release-Phase, die dem Klang zu etwas mehr Bewegung verhalf. Ich weiß nicht, ob die Grundmelodie von Taschenrechner errechnet oder komponiert wurde, das ist aber bei dem genialen Ergebnis ohnehin egal. Der VL-80 wurde übrigens auch von Kraftwerk mit einem Sticker versehen und zusammen mit der Taschenrechner-Single als Merchandising-Artikel angeboten.
Vielleicht gab Casio die Vorlage dafür, dass Sharp und Panasonic später mit tatsächlich sprechenden Taschenrechnern nachlegten, die auch musikalische Karriere machten. Der Sharp EL-620, den es unter anderem in Englisch und Deutsch gab, wurde beispielsweise von den Pet Shop Boys auf dem ersten Album Please direkt im ersten Track „Two Divided by Zero“ eingesetzt und sprach eben jene Titelzeile.
Mir ist nicht bekannt, ob die Japaner humorvolle Menschen sind und derartigen Mehrwert als Scherzartikel und weniger als Verkaufsargument implantierten, oder ob jemand ernsthafte Gedanken an einen Nutzen für Musiker oder blinde Menschen hatte. Fakt ist, dass vermutlich der VL-80, als musikalischer Taschenrechner, und das VL-1, als rechnendes Keyboard, die japanischen Mitbewerber inspirierten, ähnlich kuriose Produkte zu entwickeln. Bei Sharp ist das naheliegend, weil sie als direkte Konkurrenz zu Casio Taschenrechner bauten. Bei Panasonic weiß ich allerdings nicht, ob hier Taschenrechner zum Hauptprogramm zählten. Registrierkassen kenne ich immerhin nur von den ersten beiden Unternehmen.
Und CASIO heute? – Auch wenn im Musikbereich oftmals belächelt, sind sie doch eine feste Größe. Synthesizer wie der CZ-1 und CZ-5000 sind auch heute noch gefragt. Die Keyboards verwenden zwar eine einfache, aber doch für diesen Preis sehr brauchbare Klangerzeugung. Aktuell gehören auch DJ-Controller und Synthesizer zum Angebot. Auch wenn die höherwertigen Keyboards im unteren Preissegment angesiedelt sind, sieht das bei Digitalkameras anders aus. Casio hat übrigens die erste Consumer-Kamera auf den Markt gebracht, sowie die ersten Multifunktions-Uhren, die ebenfalls bis heute sehr gefragt sind. Bei vielen Schülern dürfte der FX-82 sehr bekannt sein. Das ist ein Schulrechner, natürlich ohne Musik-Funktion. Wobei es mich nicht wundern würde, wenn Casio bereits ein MP3-Player in einem Schulrechner integrieren würde, das gab es in der Armbanduhr ja schließlich auch schon.
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