Wie man defekten Rohlingen ihre Daten entlocken kann

Letzte Aktualisierung am 17. Januar 2018

Kürzlich schrieb ich in unsere merkst.de-Community, dass die Haltbarkeit besonders von DVD-Rohlingen begrenzt ist. Aber auch CD-Rohlinge halten nicht ewig, das sollte man wissen. Zwar sind magnetische Datenträger auch keine wirklich sichere Methode, dennoch sind Festplatten günstig und sie lassen sich im Gesamten recht schnell kopieren. Wenn man aber einen Bekannten hat, den man auf diversen Kreuzfahrten trifft und der doch sehr schöne Urlaubsvideos erstellen kann und diese dann auch auf DVD verteilt, wird es schwierig. Insbesondere dann, wenn er diese noch mit liebevoll bedruckten Labels beklebt und obendrein vielleicht ein nicht so hochwertiges Brennlaufwerk verwendet. Wir wissen aus der Praxis, DVD-Rohlinge vertragen sich nicht immer mit jedem Brenner.

Konkret habe ich hier einen Stapel dieser schönen Urlaubsvideos liegen, auf denen wir auch zu sehen sind, was sie umso interessanter macht. Teilweise sind die Filme 10 Jahre alt und fast nicht vollständig angesehen worden, da selbst bei Ankunft der neuen Scheiben der Betrachtungsgenuss durch ruckelnde oder ausfallende Videos gestört wurde und das in unterschiedlichen Laufwerken. Die Gründe dafür sind nachvollziehbar, denn bei einigen ist die Oberfläche warum auch immer verkratzt, bei anderen ist das Label so dick, dass der Platz in den Laufwerken nicht reicht und die Scheiben abgebremst werden. Während nämlich früher die Laser im Abstand zur Scheibe zum Fokussieren bewegt wurden, bewegt sich in der Höhe minimal der Disk-Träger und wenn die Scheibe zu dick ist, schleift sie und bremst ab. Beides führt natürlich zu Störungen und erschwert auch das Kopieren in den Rechner. Das ist eh sinnvoll, denn H.264 AVC ist ein gut komprimierendes Videoformat und die DVD-Struktur in MPEG-2 nimmt auch wesentlich mehr Platz in Anspruch. Als ich ein ganz anderes Video, nämlich von der 850-Jahr-Feier Fronhausen suchte, fielen mir auch die Urlaubsvideos in die Hände und ich dachte nun, dass es doch an der Zeit wäre, diese jetzt endgültig zu retten. Klar hätte ich auch den Urheber kontaktieren können, um mir die Kopien direkt als Datei zukommen zu lassen, aber irgendwo hat man ja noch Sportsgeist und außerdem interessierte mich, welche Videos überhaupt zu retten sind und welche ich möglicherweise noch nachbearbeiten muss.

Schon mal vorweg, für diese Restaurationsarbeiten halfen mir folgende Utensilien: Leicht körnige Colgate Total Zahncreme, das ist gut zum Polieren. Seife, Handtuch und Lappen, das „Klangtuch“ von AHP und zu guter Letzt noch Displex Display-Politur. Diese ist eigentlich für Handy-Displays entwickelt, aber Polycarbonat ist Kunststoff. Und zu guter Letzt noch eine geduldige Hausfrau, die so manche Baustelle im geräumigen Badezimmer toleriert. Um jetzt nicht für jede Scheibe das genaue Procedere zu beleuchten, verallgemeinere ich mein Handeln an einer schwer lesbaren Scheibe. Denn da jede einzelne mich vor unterschiedliche Herausforderungen stellte, habe ich stets nach dem Bauchgefühl gehandelt.

Als Erstes verwendete ich das Mikrofasertuch von AHP, das mit herausragenden Klangeigenschaften beworben wird, also echt toll: Du rubbelst über die Membran eines China-Brüllwürfels vom Discounter und das Teil spielt jeden zigtausend High-End-Lautsprecher an die Wand. Natürlich Quatsch und sicher gäbe es gleichwertige Tücher für günstiger, aber unabhängig der Selbstbeweihräucherung des Herstellers, ist es eines der Mikrofaser-Tücher, das eben keine Kratzer auf glatten Oberflächen hinterlässt. Denn die günstigen dieser Vertreter machen nicht nur sauber, sondern auch Displayoberflächen stumpf und sorgen im Laufe der Zeit für Mikrokratzer. Generell sind hochwertige Tücher was Wert, vor Allem bei Klavierlack-Oberflächen. Aber bleiben wir beim Klangtuch, denn trotz vollmundiger Versprechen und der seidigen Verbesserung der Höhen bei Audio, wirkt des bei Videodaten offenbar nicht. Sprich, klar macht es Flecken weg, poliert aber nicht. Das ist auch gut so, vermeidet es eben den eben beschriebenen Effekt.

Also ab ans Waschbecken und die Seife genommen. Schön poliert und abgetrocknet und siehe da, das Ganze zeigte Wirkung. Immerhin reichte das, um grobe Verunreinigungen zu beseitigen. Aber bei manchen reichte das noch nicht, weshalb ich dann zur Zahnpasta griff. Wie erwähnt ist Colgate Total körnig, was einen polierenden Effekt hat und so polierte ich die Scheiben mit dem Ergebnis, dass sie zumindest nach anschließender Seifenlaugenbehandlung wieder liefen.

Ein größeres Problem stellten die Aufkleber dar, die für das erwähnte Spin-Down der Scheiben sorgten, sprich die Scheiben aufgrund der Reibung am Laufwerkskäfig physikalisch abbremsten. Dieses tintenbedruckte Papierzeug ist einfach lästig, weshalb ich dies nur mit Wasser verdünnen und abpulen bzw. abrollen konnte. Zwar nicht vollständig, denn Klebereste bleiben dran, aber ich schaffte doch einen guten Millimeter und mehr, so dass dieses Problem beseitigt wurde. Zwar sieht die DVD dann unschön aus, aber da sie nach erfolgreicher Digitalisierung ohnehin in den Müll wandern sollte, war mir das egal. Von den ursprünglich defekten Medien gelang es mir, bis auf zwei Scheiben alle zu restaurieren. Bei diesen gab es größere Probleme, die eine hatte einen richtigen Riss in der Oberfläche vom Rand ins Innere, die andere hatte einen stumpfen Fleck und ließ sich daher nur halb einlesen.

Nun kam Displex ins Spiel, denn was für Smartphones gut ist, kann DVDs nicht schaden. So dachte ich etwas mutig, denn wir wissen ja, dass bei Rohlingen die Pits ungeschützt auf der Unterseite aufgebracht sind, während sich bei gepressten Medien die Datenschicht oben befindet. Tatsächlich scheint es so, dass nur starke Hitze der Datenstruktur schadet, sie werden ja auch vom Laser geschrieben. Im handwarmen Zustand haben meine Schrubb-Arbeiten jedenfalls genützt und nicht geschadet. Die letzte CD mit dem Riss ist hoffnungslos verloren, die andere wiederum konnte ich zum Teil retten.

Immerhin kann ich die gesicherten und gewandelten Daten nachhaltiger speichern und bin nicht auf die Vergänglichkeit von Rohlingen angewiesen. Zumindest habe ich es in der Vergangenheit geschafft, über fast drei Jahrzehnte meine digitalen Daten von den Anfängen bis in die Jetzt-Zeit hinüberzuretten. Selbst die MOD-Files aus 1988 lassen sich noch mit geeigneten Wiedergabeplayern abspielen.

Es sei abschließend noch gewarnt: Natürlich darf jeder eine unleserliche CD oder DVD nach obigem Schema behandeln. Das kann, muss aber nicht funktionieren, etwas Feingefühl und Bewusstsein bei dem, was man tut, ist unabdingbar. Sehende Hilfe wäre hier auch sicher kein Nachteil. Daher, alle Wiederholungstäter tun dies bitte auf eigene Gefahr.

Sei der Erste, der das kommentiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert