Letzte Aktualisierung am 15. August 2022
Da haben wir doch gerade noch über Clubhouse im Technik-Talk gesprochen, nun hat Spotify direkt seine Audiochat-App Greenroom veröffentlicht. Ich habe sie kurz mit der Radioszene angetestet. Erster Unterschied: Jeder kann mitmachen, ein Spotify-Account erleichtert die Einrichtung. Dabei gibt es noch weitere Unterschiede, so lässt sich gleichzeitig chatten und die Chats können per E-Mail verschickt werden. Die Aufzeichnung als Podcast ist ebenfalls möglich, Moderatoren lassen sich dafür nicht beliebig festlegen, aber man kann den Moderatorenstatus übertragen. Alles in Allem ist die App zumindest relativ barrierefrei, in den Räumen gibt es jedoch noch unbeschriftete Schalter. Ein Foto ist obligatorisch und irgendwie sieht Greenroom aus wie Dive und Clubhouse zusammen, nur hübscher. Immerhin gibt es einen Darkmode und vermutlich wird sich Spotify auf Content Creation verlagern. Inzwischen wurde Greenroom in Spotify Live umbenannt.
Spotify Greenroom ist so neu allerdings nicht, es basiert auf Locker Room von Betty Labs, das Unternehmen hat Spotify einfach übernommen und die Nutzer ebenso. Ob sich ein soziales Netzwerk von einem Streaming-Anbieter aufbauen lässt, muss sich noch zeigen. Allerdings zeigen die Erfahrungen mit Clubhouse, dass Musik durchaus eine Attraktion sein kann. So könnte beispielsweise Taylor Swift ein neues Album mit der Ukulele aus dem Schlafzimmer anteasern, wobei sie von ausgewählten Fans befragt werden könnte, die natürlich dafür etwas bezahlen müssen. Solche Konzepte halte ich für denkbar, denn Musik geht durchaus ohne Bild. Allerdings wird auch Facebook in Kürze ein soziales Audionetzwerk einführen.
Schaue ich mir allerdings die aktuelle Situation auf Clubhouse an, muss sich noch zeigen, ob es mehr als ein Trend sein könnte. Viele Creator, wie sich die Ersteller von regelmäßigem Content nennen, bewerten die Attraktivität oft nur aus ihrer Perspektive und vernachlässigen, dass die meisten Nutzer sicher wenig Lust haben, nach einem anstrengenden Arbeitstag zu einer festen Zeit ein festes Event anhören zu wollen. Erst recht nicht, wenn man dafür bezahlt und der Termin unaufschiebbar ist. Der Charakter, physisch eine Veranstaltung zu besuchen, ist doch noch ein anderer und wird meist mit weiteren Aktivitäten, wie Essen gehen verbunden. Die Trends, gerade auch bezogen auf die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender, zeigen hingegen einen anderen Trend. Ob es für jeden Podcast wichtig sein könnte, diesen in einer Live-Präsentation aufzuzeichnen, könnte gerade bei Interviews mit Prominenten schwierig werden, wenn man nicht vorher die Inhalte klar definiert. Alleine die Audioqualität bei den verwendeten Codecs ohne professionelles Equipment wäre für mich ein zentraler Punkt, so zeichne ich meinen Content lieber lokal auf und dies in hoher Qualität.
Bezogen auf Greenroom ist derzeit die Audioqualität im Vergleich zu Clubhouse deutlich schlechter, Nissim Mizrahi klingt dort so, als würde man auf einem Nokia-Handy eine alte AMR-Datei abspielen. Da muss sich noch was tun, also für Musiksendungen derzeit ungeeignet. Ein Stereo-Codec könnte da viel ausmachen, wie es beispielsweise mit Zoom möglich ist, aber auch jedes YouTube-Konzert ist selbst Clubhouse klanglich überlegen. Immerhin ist die Barrierefreiheit aktuell zumindest eingeschränkt gegeben, aber nicht überragend. So sind die Schalter für Mute und ähnliche noch unbeschriftet, es gibt also hier und da noch Potential. Ein absolut kurzes erstes Fazit ist, dass Clubhouse vor Allem für spontane Räume intuitiver bleibt. Wer aber glaubt, mit Audio-Räumen Profit machen zu können, bekommt in Spotify Greemroom möglicherweise mehr geboten, zumal es von jedem Interessenten ohne Einladung genutzt werden kann. Die Verknüpfung mit Spotify würde auf einen Schlag eine unglaubliche Nutzeranzahl generieren.
Bleibt die Frage, ob diese Audionetzwerke bezogen auf Deutschland langfristig profitabel werden können. Die Nutzerzahlen lassen dies nicht vermuten, so konnte bislang kein anderes Netzwerk als Clubhouse überzeugen. Wenn oft der Vergleich mit den USA angestellt wird, muss man Mentalitäten und Einwohnerzahlen auch gegenüberstellen, alleine das erklärt die zumindest scheinbar größere Attraktivität. So wird jeder Anwender oder Interessent mit der Zeit feststellen, ob die investierte Zeit für einen solchen oder gar mehrere Dienste individuell nützlich ist, so haben sich inzwischen viele Clubhouse-Nutzer wieder abgemeldet oder den Dienst gar nicht mehr verwendet. Was mir fehlt, neben aller Euphorie, sind verlässliche Zahlen in der breiten Bevölkerung, wie viele Interessenten es tatsächlich für solch einen Markt gibt. Wenn Spotify und Facebook als Global Player im sozialen Markt nicht erfolgreich werden, dürfte ich mit meiner Einschätzung richtig liegen. Dann bleibt am Ende vermutlich Clubhouse als CB-Funk 2.0 übrig.
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