Bye bye Beyerdynamic, gute Reise nach China!

Letzte Aktualisierung am 20. Juni 2025

Als wir vor einigen Jahren die Nubert electronic GmbH besuchten, sah ich eine deutliche Nähe zu Beyerdynamic in Heilbronn. Ein ursprünglich mit Kinolautsprechern gestartetes Familienunternehmen, wobei der 1903 geborene Eugen Beyer auch den Markt der Mikrofone für sich entdeckte. Erst in den 60er Jahren wurde das Unternehmen in Beyerdynamic umbenannt und hat sich vor Allem im professionellen Audiosegment einen guten Ruf erarbeitet. Die Modelle T1, T5 und DT 1990 mit Tesla-Treibern habe ich in diesem Artikel getestet. Damals stellte sich schon heraus, dass die Nachfolger irgendwie nicht so ganz der Tradition folgten und man sich schon eher in Richtung HiFi bzw. Wohlfühlsound orientierte. Besonders der T1 mit seinem recht dumpfen Klangbild konnte mich gar nicht überzeugen, beim T5 überlegte ich, ob sich ein Umstieg auf den 3rd Edition überhaupt lohnt. Ich entschied mich dafür, weil mein AKG K812 und der DT 1990 Pro alles von neutral bis hell abdeckt und der neue T5 eher in Richtung Spaßhörer tendiert. Übrigens feierte Beyerdynamic 2024 den hundertsten Geburtstag.

Endliche Traditionsmarken

Während Sennheiser aus der Wedemark bei Hannover dieses Jahr das 80jährige Firmenjubiläum feiert, wurde die Consumersparte bereits 2022 an den Hörgerätespezialisten Sonova verkauft. Einerseits könnte man argumentieren, dass man sich stärker auf das professionelle Geschäft fokussieren möchte, andererseits zeigt das gleichermaßen, dass deutsche Unternehmen weniger liquide sein müssen oder wenigstens im Consumerbereich aufgrund stetig sinkender Preise kein Geld mehr zu verdienen ist. Der Preiskampf findet unlängst in China statt und das betrifft natürlich auch deutsche Unternehmen. Dies übrigens bitte nicht verwechseln mit dem Verkauf längst vergessener Marken wie Uher, Telefunken, Grundig Blaupunkt oder Schaub-Lorenz, Dual und andere. Hier wurden nur die Markenrechte verkauft und die produzierenden Unternehmen haben rein gar nichts mit deren Geschichte zu tun. Bei AKG, JBL, Sennheiser und vermutlich auch Beyerdynamic ist das anders, denn hier werden bestehende Konzepte fortgeführt, mutmaßlich jedoch unter Ansetzen des Rotstifts. Das führt am Ende nicht nur zu günstigeren Preisen, sondern zu einer anderen Qualität. Diese muss zwangsläufig nicht wesentlich schlechter sein, aber in China sieht man sich auch im Wettbewerb mit günstigen Fertigern.

Sennheiser Profile

Nun war Beyerdynamic bislang noch eigenständig unterwegs und wie man liest, hatte man natürlich im günstigen Segment schon länger auf chinesische Fertigung gesetzt, die Manufaktur im oberen Preisbereich aber noch hochgehalten. Die Tesla-Serie und Studiokopfhörer, wie DT 880 gehören dazu, wobei die Pro X-Varianten bereits einen chinesischen Anstrich haben. Nun wurde verkündet, dass Beyerdynamic künftig auch in chinesischer Hand sein wird und das trifft mutmaßlich auch die Spitzenkopfhörer. Verwundert bin ich darüber nicht, denn bereits die neuesten Entwicklungen zum 100jährigen Bestehen zeigen deutlich, wohin die Reise geht.

Beyerdynamic Aufmacher

Ab in den fernen Osten, denn der chinesische Konzern Cosonic, zu dem bereits einige andere Marken gehören, führt künftig das Ruder. Ganze 122 Mio. Euro ist dem Konzern die Marke wert und man braucht nicht viel Fantasie, um die strategischen Entwicklungen zu erkennen, die auch schon anderen Unternehmen blühte. Ob AKG, Bowers & Wilkins, Harman Kardon, Marantz, alle sind längst unter den Dächern anderer Holdings verschwunden. Das zeigt sich auch in einer recht einheitlichen Strategie, so dass sich Produkte beispielsweise von Denon und Marantz innerlich gleichen, auch wenn der Preis für den Erstgenannten ein höherer ist und sich die Fronten natürlich unterscheiden.

Premium ist nicht gleich Premium

Um das klar zu schreiben, den neuen Begriff ChiFi (chinesisches HiFi) sehe ich nicht als Abwertung oder das Ende vom guten Sound, denn wir wissen alle, dass gutes HiFi auch seinen finanziellen Tribut einfordert. Während wir im Bereich Professional Audio wie selbstverständlich sogar im Einstiegssegment symmetrische und störfeste Verkabelungen nutzen, arbeitet man selbst bei gehobenem HiFi mit einfachen Cinch-Buchsen und versucht diesen Makel durch sündhaft teure Kabel und womöglich noch Klangschalen zu kompensieren – ein Groschengrab höchster Güte ohne sinnvollen Nutzwert. Auf solche Ideen kommen die Chinesen vermutlich nicht, die zwar günstig, aber nicht per se billig werkeln.

Topping DX7s Aufmacher

Gerade Topping ist ein gutes Beispiel, der DX7s ist ein hervorragender D/A-Wandler mit guten Messwerten, der nur ein Bruchteil der elitären Studioprodukte kostet und es damit locker aufnehmen kann. Kein Wunder, werden doch dieselben Wandlerchips genutzt, die in beiden Fällen gleichviel kosten. Natürlich, der Aufbau mit Stromversorgung, Verstärker, Ansteuerung, all das ist natürlich auch klangbestimmend, doch auch hier sind die Unterschiede geringer, als man denkt. Darüber habe ich mich des Öfteren mit ausgebildeten Elektronikern und Nachrichtentechnikern ausgetauscht, als Funkamateur findet man schließlich schnell eine Basis. Niemand, der wenigstens zeitweise mal im HiFi-Segment unterwegs war, bestätigte mir die Notwendigkeit mancher exorbitanten Entwicklungen und wie man denselben Effekt mit deutlich günstigeren, aber wertigen Bauteilen erzielen kann. Das ist der Punkt, wo die Chinesen ansetzen, sie verstehen sich auf Kosteneffizienz und können sicher auch billig, aber genauso hochwertig, wenn es darauf ankommt und dies eben nicht mit überzogenen Preisen. Das muss man allerdings etwas fair einordnen, denn wir wissen alle hierzulande um den Mindestlohn, hohe Energiekosten, Risiken durch Streiks und ähnliches, all das veranlasst selbst Chinesen, eher nicht hier produzieren zu wollen.

Die Stückzahlen sind entscheidend

Oder nehmen wir Hanpin als Großserienfertiger von Plattenspielern. Ob Stanton, Reloop, Audio-Technica, American DJ, Onkyo, Pioneer DJ oder Denon, alle kommen vom selben Fließband. Nur kosten einige deutlich mehr als andere, sind dafür im Design vielleicht besser aufgestellt und haben manche Funktionen mehr oder weniger, jedoch sind sie im Kern ähnlich konstruiert. Ein Baukastensystem, aus dem jeder Hersteller frei wählen kann und am Ende sein Label und Produktname angedruckt wird.

Stanton ST.150

Gegenwärtig verzeichnen wir in allen Bereichen den Wegfall oder Umgestaltung von klassischen Marken, ein allerdings seit Jahren fortschreitender Trend. Selbst Herstellernamen wie Philips oder Sony findet man vielleicht noch auf dem Karton oder Gerätebeschriftung, wenn es um Audio geht, aber auch diese lassen Großserienfertiger ran. Das merkt man in Teilen, beispielsweise bei Kofferradios wie dem CFD-S70 von Sony.

Sony CFD-S70

Das Gerät mit Radio, Kassette und CD sieht aus wie Sony, ist aber kein Sony mehr. Es stammt auch aus China und ist mit 80 Euro vergleichsweise günstig, in den 80er Jahren hätte man für unter 100 Mark vielleicht ein No-Name-Gerät von Aldi ohne CD-Player bekommen. Zugegeben fällt aber schon auf, dass solche Geräte mit geringem Absatz nicht mehr an die Qualität der 90er Jahre heran reichen, weil sich auch das Konsumverhalten verändert hat.

Motorola Moto G84 5G mit Vergrößerung

Heute dominieren Smartphones, alle wollen In-Ears, kaum jemand braucht noch eine Stereoanlage. In Studios und bei Content-Creators hat China längst die Oberhand übernommen, keines der digitalen Produkte stammt irgendwie noch aus Deutschland oder Europa. Wo sollte man auch Digitaltechnik in Deutschland einkaufen können?

DT 1990 Pro

Während viele gerade die Entwicklung bei Beyerdynamic eher schwarzsehen, möchte ich das Ganze etwas differenziert betrachten. Klar wird sich im Premiumsegment einiges verändern und ein DT 880 von vor 20 Jahren (der allerdings auch dem Verschleiß unterliegt), ist nicht mit einem aktuellen Produkt zu vergleichen. Das liegt schon daran, dass die Komponenten nicht exakt dieselben sein werden, und kein Hersteller fertigt jedes Einzelteil selbst. Trotzdem weiß ich aus Erfahrung, dass nicht jede Neuerung unbedingt sinnvoll ist, siehe den neuen Beyerddynamic DT 1990 Pro MKII, Test bei AMAZONA.de. Eine der Neuerungen ist die konsumtypisch niedrige Impedanz, so dass er auch gut an Mobilgeräten spielt. Nur verwendet man im Studiokontext eher hochohmige Kopfhörerausgänge, so kann an professionellem Equipment Grundrauschen etwas mehr zu Tage treten, zumal Apple selbst mit MacBooks neuerer Bauart hochohmige Studiokopfhörer antreiben will. Ohne ihn je gehört zu haben ist zu vermuten, dass man ihn jetzt auch in Richtung HiFi getrimmt hat, wie es eigentlich mit der restlichen Tesla-Serie schon passiert ist. Gerade die 250 Ohm waren für mich der Kaufgrund, weil niederohmige Modelle eben mitunter mehr rauschen können. Wieso sollte man so einen riesigen Hörer auch am Smartphone nutzen?

Fazit

Ja, die Entwicklung ist nicht gut. Traditionsmarken werden verramscht, aber gleichermaßen hat sich auch das hiesige Unternehmertum stark verändert. Traditionsbewusste Nachfolger zu finden, fällt vielen Unternehmerfamilien schwer und ein Verkauf kann hier ein möglicher Ausweg sein. Im Umkehrschluss müssen wir uns aber auch klar machen, dass selbst 150 Jahre ein vergleichsweise kurzer Zeitabschnitt sind. Was wir kennen und lieben, wurde durch unsere Lebenszeit gezeichnet und ist für uns Tradition. Könnte man heute noch die Urgroßeltern befragen, wären sie vermutlich selbst bei einem Wählscheibentelefon der Bundespost skeptisch, ob man das wirklich braucht. Wer wollte schon irgendwelche tote Musik aus einem Geisterkasten hören, obgleich doch das Kammerkonzert die Nähe zu den Künstlern bedeutet und authentisch klingt? Genauso würde es vermutlich unseren Urenkeln ergehen, wenn sie Geschichtsbücher über Kopfhörer lesen werden, irgendwelche hässlichen Trümmer, welche sich ihre Vorfahren auf die Rübe gesetzt haben um Musik zu hören, anstatt die audioneurale Schnittstelle zu verwenden oder diese Fernseher, mit denen selbige diese senkrechten Platten auf den Regalen meinten, , vor denen sie stupide über Stunden saßen, anstatt die Sichtschnittstelle zu verwenden. Diese Erkenntnis lässt mich das Ganze sehr entspannt einordnen, zumal auch das Gehör im Alter sicher nicht besser wird und sich jeder 90jährige Plattenfreak mal fragen sollte, ob er wirklich die vom Händler versprochenen Details hört oder eher die Marke suggestiv ein gutes Gefühl hervorbringt. Es wäre ja denkbar, dass die gereinigte, im Reinraum abgespielte Platte doch mehr knackst, als dass man dies hören würde. Ich persönlich bin mit HiFi schon lange durch, weil ich weiß, dass mir dieselben Ergebnisse von der professionellen Audiotechnik zu einem Bruchteil der Kosten beschert werden können. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es hier ebenfalls durchaus Versprechungen abseits des Wahrnehmbaren gibt, so dass man genauso auf der Hut sein muss. Ob mit Beyerdynamic oder ohne, konzentriert Euch lieber auf die Musik und Künstler, verlasst Euch mehr auf das, was Ihr hört, als mehr auf die Marke zu schauen. Trotzdem versagt eine solche Nachricht irgendwie ein Wenig die Neugier auf künftige Entwicklungen im Hause Beyerdynamic, egal ob in Heilbronn oder sonstwo. Die gute Nachricht ist jedoch, dass China unlängst kein Synonym mehr für gute Qualität ist, sondern die Kosten bei besserer Qualität eher sinken, wenn auch mit einem sehr bitteren Beigeschmack bezogen auf die Arbeitsbedingungen und Einhaltung der Menschenrechte zu Gunsten unseres Wohlstandes.

Sei der Erste, der das kommentiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert